Entführung von Berlin nach Vietnam: Mitwisser in Singapur in Haft

Ein Geheimdienstler aus Vietnam will nach Deutschland und wird in Singapur festgehalten. Kennt er Einzelheiten über Trinh Xuan Thans Entführung?

Ein Mann in rotem T-Shirt im Fernsehen

Trinh Xuan Thanh nach seiner Entführung aus Berlin Foto: reuters

BERLIN taz | Ein vietnamesischer Geheimdienst­offizier hat sich ins Ausland abgesetzt. Fluchtziel: Deutschland. Er will Interna über die Entführung des vietnamesischen Expolitikers Trinh Xuan Thanh aus Berlin nach Hanoi vom vergangenen Sommer sowie brisante Unterlagen den Ermittlern in Berlin preisgeben, sagt der Berliner Blogger Bui Thanh Hieu der taz.

Allerdings: Der Geheimdienstoffizier namens Phan Van Anh Vu sitzt seit dem 28. Dezember in Singapur in Polizeihaft. Das bestätigt dessen Anwalt Remy Choo der britischen BBC. Vietnam hat ihn den Angaben zufolge an der Weiterreise gehindert, indem es seinen Pass annullierte, und verlangt seine Auslieferung.

Vietnams Medien berichten seit gut einer Woche, dass Phan Van Anh Vu mit Hochdruck gesucht wird. Nguyen Phu Trong, Parteichef der regierenden Kommunisten, ruft persönlich dazu auf, seiner habhaft zu werden. Als das Ministerium für öffentliche Sicherheit am 21. Dezember seine Wohnung in Zentralvietnam durchsuchte, war der Gesuchte verschwunden.

Phan Van Anh Vu ist 42 Jahre alt und war laut Medienberichten im zentralvietnamesischen Danang für den Kauf und Verkauf von Immobilien für den Geheimdienst zuständig. Ihm wird Geheimnisverrat vorgeworfen sowie wirtschaftliches Fehlverhalten, aber worum es genau geht, ist in den vietnamesischen Medienberichten nicht zu erfahren. Dem Berliner Blogger Bui Thanh Hieu zufolge soll er mit Immobiliengeschäften die Arbeit der Geheimdiensteinheit TC 5 finanziert haben. Das soll dem Blogger zufolge genau die Einheit gewesen sein, die die Entführung von Trinh Xuan Thanh aus Berlin zu verantworten hat.

Machtkämpfe zwischen Geheimdiensten

Der Blogger, der von Berlin aus einen oppositionellen vietnamesischsprachigen Blog mit 162.000 Abonnenten betreibt, sagt, er stünde seit gut zwei Monaten mit dem Geheimdienstoffizier im Kontakt. Der hätte sich bei ihm zunächst vage erkundigt, ob er in Deutschland Asyl erhalten könne, falls er den polizeilichen Ermittlern sein Wissen zur Entführung zur Verfügung stelle. Bui Thanh Hieu: „Das war noch kein Vorhaben, nach Berlin zu kommen. Es war nur ein Gedankenspiel. Aber dann wurde eines unserer Telefonate abgehört und für den Mann gab es kein Zurück mehr.“

Ein Grund für seine Fluchtgedanken sollen Hieu zufolge Machtkämpfe zwischen zwei Geheimdiensten im Grundstücksgeschäft gewesen sein. Der gesuchte Vu betrieb Grundstücksgeschäfte für den Geheimdienst der Polizei. Aber auch der Geheimdienst der Armee soll an attraktiven Grundstücken in der Stadt Danang, die letzten Herbst den APEC-Gipfel ausgetragen hatte, Interesse gezeigt haben. Vu soll durch diesen Machtkampf seine Situation als gefährlich eingeschätzt haben.

Der Berliner Journalist Trung Khoa Le bestätigt, dass Auseinandersetzungen um Grundstücksdeals in Danang hart geführt werden. Er betreibt von Berlin aus eine zweisprachige Onlinezeitung, die pro Monat bis zu 1,5 Millionen mal geklickt wird. „Im April hat mir ein Unbekannter über meine Facebookseite Dokumente zugespielt, die belegen sollten, dass der jetzt verschwundene Vu in illegale Grundstücksgeschäfte verwickelt sein soll“, sagt er der taz. Die Veröffentlichung habe er abgelehnt, weil er von Berlin aus nicht die Echtheit der Dokumente prüfen konnte.

In einem Anwaltsschreiben aus Singapur, das dem Blogger Bui Thanh Hieu vorliegt, steht, dass nach singapurischem Recht ein Mann das Recht habe, vor Gericht angehört zu werden, bevor eine Auslieferung nach Vietnam in Betracht käme. Dort steht auch, dass der Anwalt für ihn Asyl in einer Botschaft eines EU-Staates beantragt haben soll. Allerdings: Asylanträge können nur in den jeweiligen Staaten selbst gestellt werden, nicht in ihren Auslandsvertretungen.

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