Empörung über die Leibesübungen: Menschheitsretter ohne Gewicht

Der taz-Sport ist regelmäßig Ziel heftiger Kritik. Dabei wissen die Meckerer oft gar nicht, wie ernst sie die Leibesübungen nehmen sollen.

Prost! Ein taz-Sportkritiker verbrennt seine meistegehassten Seiten (Auswahl 1983-2013). Bild: dpa

Es ist schon immer eine Crux mit den Leibesübungen-Kritikern gewesen. Entweder nehmen sie das Sportressort der taz gar nicht ernst oder viel zu sehr. Und nicht selten fällt beides auch noch zusammen. Die taz sei doch gar keine richtige Zeitung und einen richtigen Sportteil habe sie schon gar nicht. So wurde in der 1980er Jahren argumentiert, als die taz bei der Verteilung von Pressekarten für Bundesligaheimspiele von Hertha BSC oder den 1. FC Köln wieder einmal nicht bedacht wurde.

Als man dann gar noch bei den Olympischen Sommerspielen 1992 in Barcelona der taz die Akkreditierung verweigerte, kam es zum Eklat. In der offiziellen Begründung verwiesen die für die Zulassung der Berichterstatter zuständigen Vertreter des Verbands Deutscher Sportjournalisten (VDS) einerseits auf das fehlende Gewicht der taz. Sie monierten die zu geringe Auflage. Inoffiziell.

Andererseits wurde Kollegen der Süddeutschen Zeitung, die nach den wahren Gründen für den Ausschluss gefragt hatten, gesagt: Zu links sei die taz und außerdem nicht im VDS vertreten. Erst nach einer Protestpetition mit Unterschriften der Kollegen von SZ, FAZ und anderen Redaktionen konnte der taz-Reporter doch noch nach Barcelona fahren.

Bis heute changieren die Reaktionen auf taz-Artikel zwischen ernsthafter Entrüstung und ungezwungenem Spott. So stellte ein Sponsorenvertreter des Handball-Klubs Füchse Berlin in einem Gespräch über einen ihm äußerst missliebigen Artikel unvermittelt und etwas arg lässig fest: „Leibesübungen – das hört sich ja schon so schwul an.“

Polarisierende Wirkung

Oder ein Augsburger Journalist, der durch einen taz-Redakteur den heimischen FC verunglimpft sah, wütete in einem ausführlichen Artikel: „Man wird nicht ’taz-Autor‘, weil man ein brillanter Schreiber ist. Man wird ’taz-Autor‘, weil man die Menschheit retten will.“

Derlei kann man als Außenansichten abtun, die mit der grundsätzlich polarisierenden Wirkung der taz zu erklären sind. Erstaunlicherweise ist aber auch die Kritik aus Kreisen, die der Zeitung nahestehen, häufig von solcher Ambivalenz geprägt: sich wortreich über etwas erbosen und zugleich vorgeben, ohnehin nichts Besseres erwartet zu haben.

So fragt ein taz-Leser nach dem letzten Champions-League-Finale: „Muss eine in erster Linie politische Zeitung zwanghaft zwei Berichte und einen Kommentar zu einem Fußballspiel veröffentlichen? Kann man als emotional-involvierter, charakterlich offensichtlich nicht ganz einwandfreier Journalist nicht einfach mal schweigen?“

Der Subtext, der dahintersteht, ist einfach zu entziffern: Das Kerngeschäft und die Kernkompetenz der taz sind die gesellschaftspolitischen Fragen. Der Sport, eine Insel der Glückseligen, gehört nicht dazu. Eine verschrobene, auch hausintern verwurzelte Einschätzung, die zur Spätgeburt der Leibesübungen führte und bis heute immer wieder fröhliche Urständ feiert.

Wut-Hohn-Gemisch

Einmal pro Monat etwa fordert ein taz-Leser die Einstellung der Leibesübungen. Werden zu einer Fußball-WM oder Olympischen Spielen Sonderseiten gedruckt, häufen sich die Bitten, den Unsinn ein für allemal sein zu lassen. Auch hier paart sich Ärger mit Geringschätzung.

Die disparaten Vorhaltungen, die der taz von außen entgegengebracht werden, bereiten die taz-Getreuen für die Leibesübungenredaktion wieder auf. So wird vorsichtshalber differenziert: „Ich weiß nicht, ob dieser unglaublich platte Artikel unter ihrer Würde ist, auf jeden Fall ist er der taz nicht würdig. ...“

Dieses spezifische Wut-Hohn-Gemisch gab und gibt es nie in großen Mengen. Zum Ernst- und zugleich Nicht-Ernstnehmen haben zu viele die Leibesübungen bis heute nicht auf ihrem Radar. Das vergrößert nicht nur den Spielraum der Redakteure, sondern bringt zuweilen auch angenehme Überraschungen mit sich. Im Grunewald wurde einmal ein Sportredakteur der taz aufs Gelände eines Tennisklubs eingeladen. Die Atmosphäre war ausnehmend freundlich, und köstlichen Spargel gab es dazu. Spät erst klärte sich das Missverständnis auf. Das jähe Entsetzen spiegelte sich in den Gesichtern des Grunewalder Geldadels: „Ach, Sie sind gar nicht vom Tagesspiegel, sondern von der tageszeitung?“

So unberechenbar in ihren Extremen die Kritik an den Leibesübungen sein mag, auch die Anerkennung traf gelegentlich recht unerwartet ein. Vom berlin-brandenburgischen Golflandesverband ging einst ein warmes Dankesschreiben ein: „Selten hat jemand so viel für den Golfsport getan (wie dieser Text).“

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