Ein stück Stoff: Besser ohne Kopftuch-Foto bewerben

Anders als Bremen und Niedersachsen verbietet Hamburg Lehrerinnen das Kopftuch nicht. Zu Problemen führt's trotzdem.

Vorsicht! Diese Frau trägt ein Kopftuch in der Schule Bild: dpa

Hamburg taz | Nur mit einem Trick gelang es Alara Kaya*, zu einem Bewerbungsgespräch als Lehrerin eingeladen zu werden. Über ein Jahr hatte sich die 28-Jährige erfolglos an Hamburger Grundschulen beworben. Zuletzt ließ sie in ihren Unterlagen das Foto weg – so konnte niemand sehen, dass sie als gläubige Muslimin ein Kopftuch trägt. Prompt wurde sie eingeladen. An eine Schule in Wilhelmsburg, einem Stadtteil, in dem Kopftuchträgerinnen auf der Straße nicht weiter auffallen, weil es so viele von ihnen gibt.

Doch aus der Anstellung wurde nichts. Auf Nachfrage erzählte ihr der Schulleiter im Bewerbungsgespräch, dass das 40-köpfige Kollegium vor drei Jahren einstimmig beschlossen hatte, niemand mit Kopftuch einzustellen. Der Anlass sei die Bewerbung einer tuchtragenden Muslimin gewesen – und der Wunsch nach einer Klarstellung, wie in solchen Fällen zu verfahren sei. „Uns war die rechtliche Situation einfach zu unklar“, sagt der Leiter der Schule am Rotenhäuser Damm, Ole Junker.

Denn anders als die Nachbarländer Niedersachsen und Bremen sowie sechs weitere Bundesländer macht Hamburg seinen Lehrerinnen keine Kleidungsvorschriften. „Auch das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte und des betreuenden Personals darf in der Schule nicht dazu geeignet sein, die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten zu stören“, heißt es beispielsweise im bremischen Schulgesetz.

In Hamburg hingegen kann der Sprecher der Bildungsbehörde, Peter Albrecht, nur auf das Beamtenrecht verweisen, für welches ein „Neutralitätsgebot“ gelte. Daraus leitet er ab, dass im Unterricht „kein Kopftuch getragen“ werden dürfe. Es bestehe aber die Möglichkeit, räumt er ein, dass „eine Schulgemeinschaft das Tragen von Kopfbedeckungen tolerieren“ könne.

Anders sieht das Regine Hartung, die Leiterin der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung im Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Nach Ihrer Darstellung ist das Kopftuch etwas, das im Ausnahmefall nicht nur geduldet werden kann, sondern muss, weil „in der Schule besondere religiöse Bekleidung anzuerkennen und zu respektieren“ sei. Jedenfalls solange nicht der gesamte Körper mitsamt dem Gesicht verhüllt würde.

Und dann gibt es in Hamburg noch den Staatsvertrag mit den muslimischen Dachverbänden, dem das Parlament vor zwei Monaten zugestimmt hat. Darin heißt es, dass Musliminnen „nicht wegen einer ihrer religiösen Überzeugung entsprechenden Bekleidung in ihrer Berufsausübung ungerechtfertigt beschränkt werden“ dürfen. Schließlich, darauf weist auch Hartung vom Landesinstitut für Schule hin, habe Hamburg in seinem Integrationskonzept beschlossen, „die Zahl der Referendar/innen mit Migrationshintergrund zu erhöhen“. Ein Fünftel der Hamburger LehramtsanwärterInnen habe mittlerweile einen solchen Hintergrund. Wie viele ein Kopftuch tragen und wo diese danach eine Anstellung finden, würde nicht erfasst.

Tatsächlich soll es solche Schulen geben, doch an die Öffentlichkeit treten die wenigsten. Vermutlich aus Angst, Diskussionen auszulösen und neue Eltern abzuschrecken. Ingrid Reinhard, Schulleiterin einer anderen Grundschule in Wilhelmsburg aber erklärt, warum sie eine Kopftuchträgerin einstellt. „An der Elbinselschule wird die Vielfältigkeit gelebt, die dieser Stadtteil bietet“, schreibt sie in einer Mail. Und: „Wir sind froh, ein ebenso buntes Kollegium an unserer Schule zu haben.“ Welchen Glauben jemand habe, sei kein Einstellungskriterium. „Entscheidend ist die Qualifikation.“

Auch Schüler und Schülerinnen scheinen wenig Probleme mit dem unter Erwachsenen umstrittenen Tuch zu haben. Begeistert berichten Alara Kaya und zwei Freundinnen, die sie zu dem Treffen mit der taz dazu gebeten hat, von ihren Erfahrungen während des Referendariats und der Schulpraktika. „Die Kinder hatten keine Vorbehalte.“

Anders sah es mit den Erwachsenen aus. „Die Lehrerzimmer“, sagt Kaya, „waren oft zweigeteilt. Es gibt die, die ganz offen mit einem umgehen und die, die einem skeptisch begegnen, weil sie das Kopftuch für rückständig und unemanzipiert halten.“ Manchmal sei dies nur ein Gefühl, manchmal würden sie ganz offen mit den Vorurteilen ihres Gegenübers konfrontiert. „Bist du jetzt Fundamentalistin?“, wurde eine der drei von ihrem Professor gefragt, als sie während des Studiums begann, sich zu verhüllen.

Dabei, so betonen die drei jungen Frauen, die auf der Elbinsel als Kinder türkischer Eltern aufgewachsen sind, hätten sie sich ganz allein und freiwillig entschieden. Sie wollen wissen, wie Schulen und diejenigen, die an ihnen arbeiten, überhaupt „neutral“ sein können. Wenn zum Beispiel der Schulleiter Ole Junker mit einem T-Shirt seines Lieblings-Fußballvereins St.Pauli in den Unterricht kommt: Ist das neutral? „Das gehört zu einer bunten Gesellschaft dazu“, verteidigt sich Junker. Und hält den Vergleich für schief, weil das Fußballtrikot „weder politisch noch religiös motiviert“ sei.

Doch ob jemand extremistischer Gesinnung sei und darauf aus, seine Umwelt zu missionieren, das lasse sich nicht an seiner Kleidung erkennen, gibt eine der Freundinnen von Alara Kaya zu bedenken. „Auch Menschen ohne Kopftuch können unerwünschte Gedanken haben.“

Alara Kaya fand schlussendlich doch noch eine Stelle, zwar nur als Vertretung, befristet bis zum nächsten Schuljahr. Aber immerhin, so sagt sie, fühle sie sich dort von Schulleitung und Kollegium akzeptiert.

*Name von der Redaktion geändert

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