Ein Kaleidoskop der Welt: Zuverlässige Quellen

Die taz leistet sich ein großes Korrespondenten-Netzwerk – denn wir wollen in der Auslandsberichterstattung die Nummer eins bleiben.

Eine Frau in Lisichansk, eine Stadt im Osten der Ukraine, mit Einkäufen vor einer schwer beschädigten Schule. Bild: AP Photo/Dmitry Lovetsky

Die Welt wird komplexer und krisenhafter. In Zeiten des Krieges, von der Ukraine über Gaza bis zur Zentralafrikanischen Republik, besteht verstärkter Bedarf an sachkundiger Einordnung und an präziser Berichterstattung. In Zeiten der multipolaren Weltordnung, wenn der Westen sowohl seine politische Dominanz als auch seine Werte- und Deutungshoheit verliert, braucht man eine Vielfalt an Sichtweisen und Perspektiven.

Gute Auslandsberichterstattung ist teuer und erfordert einen langen Atem. Zwischen Kurzmeldungen über die Toten des Tages einerseits und exotischen Geschichten andererseits gibt es die reale Welt, die verstanden und erklärt werden will. Viele Medien, nicht nur in Deutschland, haben diesen Bereich in den letzten Jahren zurückgefahren. In der irrigen Annahme, die wichtigen Dinge stünden sowieso immer irgendwo im Internet, liegen weite Teile der Welt praktisch brach. Wenn es dann irgendwo knallt, kann man immer noch schnell spektakuläre Bilder und Gruselgeschichten einkaufen, denn irgendwelche durchgeknallten freien Reporter laufen immer herum und müssen sich vermarkten – auch auf Kosten des eigenen Lebens.

Lebenshorizont statt Abenteuerspielplatz

Die taz ist im Laufe der Jahrzehnte einen anderen Weg gegangen, mit einem dichten und noch dichter werdenden Netz an Auslandskorrespondenten. Die leben fast ausnahmslos seit langer Zeit in ihren Berichtsgebieten und haben diese nicht als Abenteuerspielplatz kennengelernt, sondern als Lebenshorizont. Sie können Normalität und Ausnahme aus der jeweiligen lokalen Sicht unterscheiden und beschreiben. Viele von ihnen sind anerkannte Experten; manche sind kriegsgestählt, so gut wie alle sind Veteranen ihres Berufs oder haben über andere Hintergründe besondere Ortskenntnis erlangt. Sie gucken nicht erst dann genau hin, wenn es brennt – und deswegen können sie dann, wenn es brennt, genau hingucken. Um zu erklären, was um sie herum los ist, liefern sie keine ideologisch aufgeheizten geopolitischen Mutmaßungen, sondern sie haben die Menschen im Blick und das Leben.

Unverzichtbare, aber nach außen nur selten sichtbare Ergänzung sind die Fachredakteure der Auslandsredaktion selbst, eine inzwischen in der Medienlandschaft selten gewordene Spezies: allesamt seit Jahrzehnten im Amt, Fachleute auf ihrem jeweiligen Gebiet, erfahren im Umgang sowohl mit Korrespondenten und Autoren als auch mit Ereignissen und Langzeitentwicklungen. Sie sind die Gatekeeper und die ordnenden Hände, die dafür sorgen, dass aus der Zufälligkeit und Begrenztheit der Angebote und Themen das bestmögliche redaktionelle Angebot wird – und dass Lücken gefüllt werden, beispielsweise durch das Hinzuziehen freier Autoren oder auch lokaler Kollegen wie derzeit häufig aus der Ukraine.

Kaleidoskop der Welt

Im Zusammenspiel all dieser Mitwirkenden entsteht im besten Falle ein Kaleidoskop der Welt. Wie immer könnten so manche Bedingungen der Berichterstattung besser sein, und immer wieder taucht innerhalb der taz die Frage auf, ob diese kleine Zeitung sich eigentlich ein so großes Netz an Auslandskorrespondenten leisten kann. Die Antwort ist einfach: Gerade eine kleine Zeitung wie die taz kann es sich nicht leisten, eine ihrer konstant stärksten Säulen zu schwächen. Im Angesicht des Niedergangs der Auslandsberichterstattung bei anderen Medien war es noch nie so leicht, in diesem Gebiet immer wieder die Nummer eins im deutschen Tageszeitungsmarkt zu sein – und im Angesicht der Entwicklung der Welt war es noch nie so wichtig.

Dominic Johnson, 48, leitet das Auslandsressort der taz und ist seit 1990 ihr Afrikaredakteur