Ein Jahr Rot-Rot-Grün: der taz-Check (3): Permanent im Verteidigungsmodus

Bildung hat einen der größten Etats im neuen Haushalt. Doch Senatorin Sandra Scheeres (SPD) muss noch beweisen, dass sie ihr Ressort gestalten kann.

Sandra Scheeres

Gilt als unauffällig: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Foto: dpa

Eigentlich sind parlamentarische Ausschüsse kein großes Kino. Aber an diesem Donnerstag im November wird es im Bildungsausschuss kurz unterhaltsam: Auf der Anhörungsbank – dorthin laden die ParlamentarierInnen gerne ExpertInnen „aus der Praxis“ ein, um sich „ein Bild zu machen“, bevor sie so oder anders über Dinge abstimmen – erhebt ein Professor seine Stimme, und die Bildungssenatorin verliert kurz die Contenance. Es geht um die vielen QuereinsteigerInnen ohne Pädagogikstudium in den Schulen, neben der Endlosdebatte über kaputte Schulen das große Thema dieser Tage in der Berliner Bildungspolitik.

„In den Schulen werden sogar Vertretungslehrer ohne Bachelorabschluss eingesetzt!“, ruft also der Professor, Empörung in der Stimme. Auf dem Senatorinnenstuhl vis-à-vis beugt sich Sandra Scheeres (SPD) vor: „Da will ich jetzt aber mal Namen sehen!“, ruft sie. Sie sagt es mit diesem etwas maliziösen Lächeln, das kein Lächeln ist.

Sandra Scheeres hat ein Problem: Seit sie das Amt angetreten hat, ist sie im Verteidigungsmodus. Das ist nicht unbedingt ihr Verschulden allein. Die Sparpolitik der Vorgängerregierungen hat ihr einen Schrotthaufen an Schulimmobilien und einen Fachkräftemangel in Zeiten wachsender SchülerInnenzahlen hinterlassen (auf den Scheeres zu spät mit dem Ausbau der Studienplatzkapazitäten reagiert hat).

Und auch wenn im kommenden Haushalt nun Millionen Euro in lobenswerte Maßnahmen zur besseren Qualifizierung der umstrittenen QuereinsteigerInnen investiert werden – in der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, dass sich da eine Senatorin permanent um Schadensbegrenzung bemüht.

Diese ständige Defensive lässt Scheeres oft passiv wirken und hat sie dünnhäutig gemacht. Kürzlich sorgte ein merkwürdiger Appell der Senatorin für Irritation unter den Schulleitungen: Man möge sich doch bitte nicht, wie jüngst an einer Spandauer Schule geschehen, über baufällige Gebäude beschweren, sondern den Kollegien und der Öffentlichkeit lieber eine „irgendwie geartete positive Perspektive“ anbieten – selbst wenn nach den Herbstferien die halbe Deckenverkleidung in der Eingangshalle liegt. Ein „Maulkorbschreiben“ sei das, wetterten Gewerkschaft und der Gesamtpersonalrat der Lehrer.

Jubiläum Die bundesweit erste rot-rot-grüne Landesregierung unter Führung der SPD ist seit dem 8. Dezember 2016 im Amt. Michael Müller, Regierender Bürgermeister (SPD), sowie seine Stellvertreter Klaus Lederer (Die Linke) und Ramona Pop (Grüne) zogen bereits Anfang der Woche auf einer Pressekonferenz eine positive Bilanz ihrer Arbeit.

Die Grünen-Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf zeigten sich im taz-Interview überzeugt, dass R2G ein Erfolg wird. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir in fünf Jahren sehr viel nach vorne gebracht haben werden", so Stahr. Manches brauche aber Zeit: "Das ist ein Langstreckenlauf, kein Sprint, und erst vor der Wahl wird abgerechnet."

Die FDP bleibt cool Die Oppositionspartei zieht erst am 8. Dezember R2G-Bilanz. (dpa)

In jedem Fall zeigt es, wie gereizt die Senatorin auf Kritik reagiert. Aus ihrer Verwaltung heißt es, sie haben einen intransparenten Führungsstil und könne mit Kritik nicht gut umgehen. Das viele Geld für den Schulbau, das jetzt da ist, ist nun endlich ihre Chance auf so etwas wie eine Erfolgs­story. Nörgler kann sie da nicht schon wieder gebrauchen.

Scheeres’ Glück ist, dass Geld nicht mehr ihr Problem ist. „Bildung“ ist einer der größten Etats im neuen Haushalt. Entsprechend versöhnlich klingt inzwischen die ehemalige Opposition: Die Grünen-Abgeordnete Stefanie Remlinger, bis 2016 bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, hielt der Senatorin stets mit Verve vor, die wachsenden Schülerzahlen zu ignorieren. Heute sagt sie: „Man muss sehen, die Handlungsfähigkeit war zum Teil nicht da – überzeugen Sie mal einen Finanzsenator mit Prognosezahlen!“

Scheeres kommt oft nicht als die „Macherin“ rüber, sondern als eine, die hinterherhechelt.

Andere, die nicht Teil der neuen Regierungskoalition sind, urteilen härter: Der Senatorin fehle es an Durchsetzungskraft, das sehe man auch jetzt wieder in der Debatte über die ungleiche Bezahlung von altgedienten und frisch eingestellten GrundschullehrerInnen. In Berlin müssen sich Erstere mühsam nachqualifizieren. In Brandenburg macht man bis 2019 einfach das Besoldungsrecht passend.

Schon wieder kommt Scheeres nicht als die „Macherin“ rüber, sondern als eine, die hinterherhechelt. Dabei wäre genau das wichtig für sie, denn auf mangelnde „Handlungsfähigkeit“ kann sie sich nicht mehr berufen.

Ab 2019, so sieht es der Haushaltsentwurf vor, soll nach dem Wegfall der Kitagebühren nun auch der Schulhort kostenlos werden. Es sind solche Akzente, die Scheeres als sozialdemokratische Senatorin in einer linken Koalition setzen muss.

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