Ehrenamt: „Süffig und charmant“

Seit 1912 bietet das Ledigenheim Rehhoffstraße alleinstehende Männern ein Zuhause. Eine Initiative will das Heim durch einen Rückkauf retten.

Soll gerettet werden: Das Ledigenheim in der Hamburger Neustadt. Bild: dpa

HAMBURG taz| Ein acht Quadratmeter kleines Zimmer wohnlich einzurichten, ist eine gewisse Kunst. Herr Fernandez* hat das ganz gut geschafft. Sein Zimmer im ersten Stock des Ledigenheims Rehhoffstraße ist ordentlich, funktional, gemütlich. Ein Schlafsofa steht am Fenster, in einem Balkonkasten auf dem Fensterbrett wachsen Pflanzen und er hat eine Mikrowelle.

Seit mehreren Jahren bewohnt Herr Fernandez das kleine Zimmer im Männerwohnheim. Die Einrichtung ist eine der letzten ihrer Art: In ganz Deutschland gibt es nur noch ein weiteres Ledigenheim. Aber die Zukunft des Hamburger Wohnheims ist ungewiss. Der Besitzer möchte verkaufen, eine Initiative versucht, das Heim zu retten.

Das 1912 vom Hamburger Bauverein errichtete Gebäude funktionierte fast 90 Jahre lang als Wohnheim für Hafenarbeiter, Seeleute, einfache Arbeiter und andere, die eine Bleibe für ein paar Nächte oder länger suchten, ohne dafür große finanzielle Mittel aufbringen zu können.

Bis das Haus Mitte der 1990er Jahre seinen gemeinnützigen Status verlor und Profit bringen musste. Im Jahr 2009 kaufte ein dänischer Immobilienfonds den ganzen Wohnblock. Der Investor wollte das Heim umbauen, die einzelnen Zimmer zu größeren Wohnungen zusammenfassen und zu gängigen Marktpreisen vermieten. Das Bezirksamt Mitte berief sich auf die Soziale Erhaltensverordnung und verhinderte den Umbau. Seitdem hat der Investor kein Interesse mehr an der Immobilie.

Die Initiative Rehhoffstraße bemüht sich seit zwei Jahren um einen Rückkauf, um das Gebäude als Männerwohnheim zu erhalten. Antje Block und Jade Jacobs sind Vorstandsmitglieder und Gründer der Stiftung Ros, die das Wohnheim retten will. Auf das Heim stießen sie zufällig, als sie im Rahmen ihres Designstudiums Räume suchten, um gemeinsam mit Kommilitonen anderer Fachrichtungen zu arbeiten. Als interdisziplinärer Arbeitskreis „hamburgerzimmer“ mieteten sie die ehemaligen Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss des Hauses und merkten erst mit der Zeit, was für ein Raum sich ihnen da erschloss.

Langfristige Perspektive

Um dem Heim eine langfristige Perspektive zu geben, wollen es Block und Jacobs mittels der eigens gegründeten Stiftung wieder in die Gemeinnützigkeit überführen. Dafür sammeln sie Spenden, um dem Investor das Haus abzukaufen. Dabei sind sie eigentlich gar keine Fundraiser und auch keine Kaufleute. „Wir wollen einfach, dass die Bewohner hier in Ruhe leben können“ sagt Jacobs. „Wir wollen das Haus wieder wohnlich machen und eine angenehme Athmosphäre für die Bewohner schaffen.“

Das Gebäude muss gründlich renoviert werden: Im Treppenhaus bröckelt die Farbe von den Wänden, die Fensterrahmen sind marode und es ist dunkel drinnen. Die Kosten für den Verkauf und eine erste Sanierung schätzen Jacobs und Block auf drei Millionen Euro. Es fehlt noch fast alles.

„Wir befinden uns zur Zeit noch in der Verhandlung mit dem Investor“, sagt Antje Block. In einem Vertrag hatten sich die Stiftung und der Immobilienfonds auf eine Zweijahresfrist geeinigt, innerhalb derer die Stiftung ein Vorkaufsrecht für das Haus hatte. Nun ist die Frist abglaufen – seit Ende Juni kann der Investor das Objekt auf den freien Markt werfen. Bis jetzt hat er keinen Gebrauch von seinem Recht gemacht.

Jade Jacobs und Antje Block sind zuversichtlich. Sieben Tage pro Woche arbeiten sie ehrenamtlich für ihr Projekt, knüpfen Kontakte, telefonieren, treffen sich mit potenziellen Stiftern. Nebenbei organisieren sie Veranstaltungen in den Gemeinschaftsräumen, die ihnen tagsüber als Büro dienen. Die Einbindung des Heims in die Nachbarschaft ist ihnen wichtig.

„Wir sind auch keine Gutmenschen oder so“, wirft Jacobs ein. Die Bewohner könnten schließlich nichts dafür, dass ein Immobilienfonds ihr Heim gekauft habe. Und die sollen das jetzt ausbaden? Absurd, finden die beiden. Ihre Motivation: „Wenn du siehst, dass etwas schlecht läuft, hast du zwei Möglichkeiten: Entweder du guckst weg, oder du tust etwas dagegen.“ Ferner mache das Ganze ja auch Spaß. „Wir versuchen einfach nur, vernünftig zu handeln.“

Bewohner Wolfgang, 63, findet gut, was die beiden Ehrenämtler machen. Seit 13 Jahren wohnt er im Männerwohnheim, die Seefahrt brachte ihn nach Hamburg. Im Wohnheim fühlt er sich wohl, hier hat er seine Ruhe. Bei 90 Leuten, die zur Zeit mit ihm wohnen, sei zwar immer was los. Aber in seinen eigenen acht Quadratmetern hat man ja seine Ruhe.

Außer an diesem Tag, bei 28 Grad, da wird es Wolfgang zu heiß im Zimmer. Dann kommt er auf einen Kaffee zu Patrick, dem Sozialarbeiter, ins Pförtnerhaus im Erdgeschoss. Patrick kann gut zuhören und außerdem macht er guten Kaffee, findet Wolfgang. „Süffig und charmant“, sagt er, und meint damit den Kaffee und Patrick, das Pförtnerhaus und das ganze Ledigenheim Rehhoffstraße.

*Name von der Red. geändert

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