Ehe für alle in Deutschland: Der lange Weg zur Gleichstellung

Die ersten gleichgeschlechtlichen Paare haben am Sonntag geheiratet. Wie Homosexuelle ihre gesetzliche Gleichberechtigung erkämpften.

Zwei Männer küssen und umarmen sich

Karl Kreile (l.) und Bodo Mende küssen sich am 1. Oktober im Rathaus Schöneberg in Berlin nach ihrer Eheschließung Foto: dpa

FREIBURG taz | Der Kampf für Gleichberechtigung ist beendet: Am 1. Oktober, mit Inkrafttreten des Gesetzes der „Ehe für alle“, können die ersten lesbischen und schwulen Paare zum ersten Mal in der deutschen Geschichte im Standesamt erscheinen und heiraten – ganz normal wie Heterosexuelle auch. Der Weg zur Gleichstellung war alles andere als einfach.

Der erste Versuch, die Öffnung der Ehe durchzusetzen, war die „Aktion Standesamt“. Homo-Aktivisten klagten Anfang der 1990er-Jahre beim Bundesverfassungsgericht, doch Karlsruhe lehnte es ab, den Gesetzgeber zur Reform zu zwingen.

Das rot-grün regierte Hamburg führte 1999 im Stadtstaat die so genannte Hamburger Ehe ein. Homo-Paare konnten nun ihre Partnerschaft eintragen lassen – offiziell, aber ohne jede rechtliche Folge.

Im Bund beschloss die rot-grüne Koalition im Jahr 2000 die Einführung einer rechtlich relevanten eingetragenen Partnerschaft für Homo-Paare. Allerdings hatten sie zunächst deutlich mehr Pflichten als Rechte.

Richter geben ihren Segen

Dennoch klagten die Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen gegen das Gesetz. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage 2002 ab, allerdings nur mit 5 zu 3 Richterstimmen. Immerhin stellten die Richter dabei klar, dass der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie keine Benachteiligung von Homo-Paaren erfordert.

In der Folge besserte der Bundestag bei der eingetragenen Partnerschaft nach. So wurde 2005 unter anderem das Recht zur Stiefkind-Adoption eingeführt; nun konnte das leibliche Kind eines Partner vom anderen adoptiert werden.

Erst ab 2009 wurde das Bundesverfassungsgericht zum Motor der Entwicklung und forderte in mehreren Urteilen Nachbesserungen bei der eingetragenen Partnerschaft. So sind Homo-Paare zum Beispiel seit 2013 auch beim Ehegattensplitting mit klassischen Ehepaaren gleichgestellt.

Bayern prüft Klage

Zum Schluss fehlte den Homo-Paaren im wesentlichen nur noch das Recht, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Doch praktisch war das kaum noch relevant, da das Verfassungsgericht 2014 bereits die so genannte Sukzessivadoption ermöglicht hatte: Erst adoptiert der eine Partner das Kind, später der andere.

Faktisch war die Einführung der „Ehe für alle“ also nur noch ein symbolischer Schlussstein, ein Signal der vollen Gleichberechtigung. Am 30. Juni 2017 beschloss der Bundestag mit 393 Stimmen bei 226 Gegenstimmen und vier Enthaltungen die Öffnung der Ehe auch für homosexuelle Paare.

Umstritten war im Sommer vor allem, ob vor der Reform das Grundgesetz hätte geändert werden müssen. Die Befürworter hielten das nicht für nötig, weil die Ehe in der Verfassung zwar geschützt, aber nicht definiert wird. Dagegen pochten die Gegner darauf, dass die Ehe bisher immer die „Verbindung von Mann und Frau“ gewesen sei.

Konservative Bürger können gegen das neue Gesetz keine Verfassungsbeschwerde einlegen, denn sie haben dadurch keinen Nachteil. Allerdings könnte eine Landesregierung in Karlsruhe eine Normenkontrolle beantragen. Bayern prüft dies zwar, hat es aber nicht eilig. Anfang September wurden erst mal zwei Gutachten in Auftrag gegeben.

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