EU-Kandidatenstatus für Serbien: Keine Freude über den Trostpreis der EU

Die Aussicht auf auf eine Annäherung an Europa wird in Belgrad mit Zurückhaltung aufgenommen. Die Bedingungen hinsichtlich des Kosovo empfinden viele als Demütigung.

EU-Erweiterungskommissar Stefan Fuehle äussert sich vor Journalisten in Brüssel zum Kandidatenstatus Serbiens. Bild: dapd

BELGRAD taz | Er sei "stolz", sagte Staatspräsident Boris Tadic mit ernster Miene, nachdem die EU-Kommission am Mittwoch den Kandidatenstatus für Serbien empfohlen hatte. Die Nachricht löste keinen Jubel in Belgrad aus. Denn aus den vor einigen Monaten in Aussicht gestellten Beitrittsverhandlungen ist nichts geworden. Zudem ist laut Erweiterungskommissar Stefan Füle die "Voraussetzung" für den Kandidatenstatus, dass der Dialog mit Prishtina fortgesetzt und die bisherigen Ergebnisse umgesetzt werden müssten. Da klingt das Lob für die erreichten Reformen wie ein Trostpreis.

Aus Sicht Belgrads ist der Kosovo-Vorbehalt demütigend. Außenminister Vuk Jeremic stellte fest: "Unsere Politik gegenüber dem Kosovo wird sich trotz der Meinung der EU-Kommission nicht ändern." Nach der Bildung der "proeuropäischen" Koalition 2008 sprachen sich mehr als 70 Prozent der Serben für einen EU-Beitritt aus. Anfang Oktober lag dieser Wert bei rund 37 Prozent.

Die Gründe für den wachsenden EU-Skeptizismus sind plausibel: Die Regierung versprach eine rosige europäische Zukunft, stattdessen scheint Europa immer weiter entfernt zu sein. Nachdem Exgeneral Ratko Mladic verhaftet und die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen abgeschlossen wurde, erwartete man eine Belohnung. Stattdessen kamen neue politische Bedingungen bezüglich des Kosovo. Die Arbeitslosigkeit beträgt unterdessen über 22 Prozent, mehr als eine Million Menschen leben an oder unter der Armutsgrenze leben. Die Maxime dieser Regierung war ein Wahlslogan von Präsident Tadic: "Kosovo und EU", was heißen sollte, Kosovo als Bestandteil Serbiens zu bewahren, es niemals anerkennen und gleichzeitig der EU näher rücken.

Das Kosovo sei das größte "Systemproblem" bei der Annäherung Serbiens an die EU, erklärt Miroslav Prokopijevic vom Institut für Europäische Studien. Die an das Kosovo geknüpften Bedingungen der EU halte man für unfair. Hinzu komme, dass die EU wegen der Eurokrise vielen nicht mehr so verlockend erscheint. Die EU wird in der Kampagne für die Parlamentswahlen im Frühjahr erstmals seit der Wende 2000 keine große Rolle spielen. Die Regierung hat sich in eine Lage manövriert, die die Opposition als "weder Kosovo noch EU" bezeichnet.

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