E-Mobilität und Carsharing: Keine Chance für Klimaschutz

Carsharing-Firmen mit Elektroautos bekommen weder Umweltsiegel noch Stellplätze – anders als Marktführer Cambio mit seinen Diesel- und Benzin-Fahrzeugen.

Elektroautos haben lange Ladezeiten, dafür aber kaum CO2-Emissionen. Foto: dpa

BREMEN taz | „Dass wir extra ein Dieselauto anschaffen müssen, um den Blauen Engel zu bekommen, kann doch nicht sein“, dachte sich Markus Spiekermann, Prokurist des in Bremen aktiven Carsharing-Unternehmens „Move About“. Denn: In den Vergabekriterien des Umweltsiegels steht, dass es explizit für Elektroautos nicht verliehen wird. Aber nur solche hat Move About im Angebot.

Dabei kann dort mit Topwerten in Sachen Klimaschutz aufgewartet werden. Durchschnittlich 121 Gramm CO2-Ausstoß pro gefahrenen Kilometer erlaubt der Blaue Engel maximal für jeden Wagen. „Unsere ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betriebenen Autos belasten in ihrer Ökogesamtbilanz die Umwelt nicht mal mit 20 Gramm“, sagt Spiekermann.

Trotzdem dürfen seine Mietwagen keine städtischen Flächen als Stellplätze nutzen – im Gegensatz zum Bremer Marktführer Cambio, der ausschließlich Benzin- und Dieselfahrzeuge einsetzt.

Benachteiligung

Das Carsharing-Unternehmen bestätigt, rund ein Drittel seiner Stationen befänden sich nicht auf privatem Grund. Cambio zahle dafür, erklärt der Sprecher des Verkehrssenators, Jens Tittmann. Und zwar je nach Lage etwa 50 Euro pro Stellplatz.

Flinkster (Mini-Klasse): Anmeldegebühr: 50 Euro. Monatsgebühr: 0 Euro. Fahrt von Bremen nach Hamburg: 22,50 Euro. Tagespauschale: 39 Euro

Move About (Basic): Anmeldegebühr: 29 Euro. Monatsgebühr: 5 Euro. Fahrt von Bremen nach Hamburg: 36,25 Euro. Tagespauschale: 24 Euro

Cambio (Start): Anmeldegebühr: 30 Euro. Monatsgebühr: 3 Euro. Fahrt von Bremen nach Hamburg: 32,00 Euro. Tagespauschale: 23 Euro

Die Bahn (Metronom): Anmeldegebühr: 0 Euro. Monatsgebühr: 0 Euro. Fahrt von Bremen nach Hamburg: 24,30 Euro. Tagespauschale: 0 Euro

„Das würden wir auch gern, dürfen wir aber nicht. Diese Benachteiligung ist bisher noch laut Bundesgesetz verboten, in Bremen aber Praxis“, so Spiekermann.

Gerade in den Innenstadtquartieren hat sich allein schon wegen der Parkplatznot herumgesprochen, dass Mobilität nicht zwangsläufig mit dem Besitz eines eigenen Autos verbunden ist. Autos nutzen statt besitzen liegt im Trend. Laut Bundesverband Carsharing kommen in Bremen auf 1.000 Einwohner aber nur etwa 0,39 Carsharing-Fahrzeuge, das ist Platz 18 in Deutschland.

Cambio war zuerst da

Die Bestenliste eines Anbietervergleichs in der Juliausgabe 2015 der Stiftung-Warentest-Zeitschrift Test führen Flinkster – am Bremer Hauptbahnhof stationiert – und Cambio an. Aber gerade in Bremens Stadtteilen mit großer Carsharing-Klientel wie Mitte, östliche Vorstadt und Neustadt, sind Elektroautos nicht bedarfsgerecht zu teilen.

Unternehmen wie Move About beklagen, keinen Fuß in den Markt, keine Handelsplätze ihrer Dienstleistung zu bekommen. Nur im Bremer Osten und an der Universität wurden solche bisher privat angemietet. Cambio ist schon seit 25 Jahren in Bremen aktiv – und konnte daher überall zuerst da sein.

Öffentlichen Parkgrund dürfen Carsharing-Unternehmen nur nutzen, so Tittmann, wenn sie neben dem Blauen Engel auch die Entlastung des Parkraums nachweisen können. Cambio hat das zuletzt 2014 getan: Es hat seine 9.500 KundInnen angeschrieben und aus 877 eingegangenen und selbst ausgewerteten Antworten geschlossen, „dass pro Cambio-Auto elf private PKW ersetzt werden.“

Hemmschwellen gegenüber E-Autos

Von der Behörde ist eine Substituierungsquote von eins zu sechs vorgegeben. „Ein neues Unternehmen kann solche Vorgaben nicht erfüllen, weil es noch gar keine oder, wie wir, erst 179 Kunden hat“, sagt Spiekermann. Genau das scheint der Knackpunkt in der Politik des grünen Verkehrssenators Joachim Lohse zu sein.

Er könnte nachhaltige Mobilität fördern, indem er umfangreich E-Carsharing-Angebote unterstützt, um Hemmschwellen gegenüber der neuen Technologie abzubauen – wie die Unsicherheit vor dem Bedienen von Elektroautos, das ungewohnte Fahrgefühl, Angst vor den nur gut 100 Kilometern Reichweite, Unwissenheit über das teilweise stundenlange Stromtanken.

Bremen aber setzt nicht auf die E-Auto-Klasse, sondern primär auf Verringerung der Spritautomasse. Tittmann: „Die ökologische Gesamtbilanz von Elektrofahrzeugen ist nur wenig besser als die von verbrennungsgetriebenen Wagen. Die Vorbehalte sind groß, die Tarife höher, die Nachfragen gering.“ Das bestätigt Cambio nach dem kürzlich selbst durchgeführten Versuch, Elektromobile für den Stadtverkehr und Spritmobile für die regionalen Touren anzubieten.

Autos sollen von der Straße

Tittmann sagt: „Wir erzielen den größten Umwelteffekt für Bremen also erst mal nicht durch Förderung von E-Autos, sondern dadurch, möglichst viele Benzin- und Diesel-Autos von der Straße zu kriegen.“ Die dabei effektivste Möglichkeit sei ein niedrigschwelliges Carsharingangebot – und da ist die große Cambio-Flotte in Bremen bisher ziemlich konkurrenzlos.

Aber wenn Move About den Blauen Engel und die Substituierungsquote nachweise, zudem Stromtanksäulen auf ihren Parkplätzen finanziere, würde über die Vergabe von Mobilitätspunkten auf öffentlichem Grund neu nachgedacht.

Das werde noch dieses Jahr nötig sein, sagt Spiekermann. Er hat beim Umweltbundesamt angeregt, einen neuen Blauen Engel extra für Elektroautos aufzulegen. Der kann nun seit August beantragt werden. Move About will dies tun – und auch seine Kunden befragen.

„E-Carsharing ist noch nicht wettbewerbsfähig, die Wagen sind einfach zu teuer“, heißt es bei Cambio auf die Frage, warum das Unternehmen nicht wenigstens ein paar E-Autos hält. Das bestätigt selbst Spiekermann: „Auch bei uns ist E-Carsharing noch ein Zuschussgeschäft, das wir mit unserer Abteilung für Unternehmensfuhrparks finanzieren.“

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