Drohendes Aussterben: Reuse zu, Otter tot

Fischer am Steinhuder Meer wehren sich erfolgreich gegen Auflagen, die das Ertrinken von Fischottern in ihren Reusen verhindern sollen. Auf lange Sicht müssen Fanggeräte wohl nachgerüstet werden.

Dichter Pelz und stromlinienförmiger Körper: Fischotter sind hervorragend an das Leben am und im Wasser angepasst Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Naturschutz am Steinhuder Meer hat einen Dämpfer erhalten. Die Auflagen für die Reusenfischerei in dem großen See bei Hannover sind vom niedersächsischen Oberverwaltungsgericht faktisch aufgehoben worden.

Sie sollten verhindern, dass Fischotter in den Fanggeräten ertrinken. Mittelfristig dürften auf die Fischer trotzdem Auflagen zukommen, denn nach dem am Dienstag verkündeten Urteil ist klar: Es muss geprüft werden, ob und unter welchen Bedingungen die Fischerei im Steinhuder Meer mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union (FFH) verträglich ist.

Vor zwei Jahren hatte das Verwaltungsgericht Hannover den Fischern die Reusenfischerei bis zum Abschluss einer Verträglichkeitsprüfung verboten – es sei denn, sie verwenden Reusen mit speziellen Vorrichtungen, die das Ertrinken von Ottern verhindern sollen. Den Ausschlag gab ein formales Argument: Das Gericht sah das Mitwirkungsrecht der „Aktion Fischotterschutz“ verletzt, einer anerkannten Naturschutzvereinigung. Die Fischer gingen in Berufung.

Der Fischotter war in Deutschland einmal verbreitet, Ende der 50er-Jahre aber beinahe ausgestorben. Heute steht er auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Im Steinhuder Meer leben seit 2010 wieder drei bis fünf der Tiere. Die Aktion Fischotterschutz möchte, dass das auch so bleibt. Sie verhandelte mit dem niedersächsischen Umweltministerium und den Fischern darüber, wie sich verhindern lasse, dass Otter in den Reusen verenden. Zu einer gütlichen Einigung kam es nicht – die Naturschützer zogen vor Gericht.

Der Fischotter kommt in ganz Mecklenburg-Vorpommern, im Osten Schleswig-Holsteins sowie im Osten und im Zentrum von Niedersachsen vor.

Bis Ende der 60er-Jahre durfte das Tier noch gejagt werden. Unter anderem wegen seines dichten Fells war er eine begehrte Beute.

Als Jäger frisst das Tier selbst Fische, Krebse, Frösche, Schnecken, Vögel, Ratten und Mäuse.

Seinen Bau erreicht der Otter wie der Biber unter Wasser.

Ausgewachsen kann der größte aller einheimischen Marder 13 Kilogramm schwer und ohne Schwanz bis zu 90 Zentimeter groß werden.

Viel Platz braucht der Otter: Je nach Nahrungsangebot benötigt das Männchen eine Uferstrecke von zwei bis 20 Kilometern.

Ihre konkrete Befürchtung: Die Otter werden von den bereits gefangenen Fischen in die Reusen gelockt, können daraus nicht mehr entkommen und ertrinken. Dagegen gibt es technische Vorkehrungen, die entweder verhindern, dass die Otter in die Reuse gelangen, oder es ihnen erlauben, wieder auszubrechen.

„Wir wurden dazu verdonnert, Ottergitter einzubauen“, klagte der Fischer Detlef Hodann mit dem Blick auf das erstinstanzliche Urteil. „Wir nennen sie Fischsiebe.“ Große Hechte oder Barsche fänden nicht mehr den Weg in die Reusen – mit wirtschaftlichen Folgen für die Fischer. Statt den Eingang zu verbarrikadieren, wie es das Bundesamt für Naturschutz empfiehlt, bevorzugen die Fischer einen Notausgang in der Reuse, der wiederum nicht zu viele Fische entwischen lassen darf.

Aus Sicht des Bundesamts für Naturschutz ist der Tod in der Reuse eine Ursache für die Gefährdung der Otter. Die Tiere vergiften sich aber auch an den Chemikalien in den Gewässern. Das Abholzen und Ausräumen von Auen raubt ihnen die Verstecke. Ihr Lebensraum schrumpft durch Trockenlegung und intensive Teichwirtschaft, durch immer neue Siedlungen und Straßen. Und so manches Tier, das sich durch diesen Zivilisationsdschungel geschlichen hat, wird am Ende vom Auto überfahren.

Detlef Hodann, der mit seinem Bruder in fünfter Generation eine Fischerei und Aalräucherei in Steinhude führt, sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Wir bewirtschaften das Meer“, sagt er. „Wir beuten es nicht aus.“ Nicht die Fischerei, sondern die Trockenlegung von Flächen habe die Tiere verdrängt. „Mein Vater hat noch miterlebt, dass Otter von außen in unsere Reusen gebissen und sie beschädigt haben“, erzählt er. „Hineingeschwommen ist nie einer.“

Mark Ehlers vom Otterschutzzentrum sieht das anders: „Das Urteil führt dazu, dass der Otter in einem Naturschutzgebiet ums Leben kommen kann, weil so weitergemacht werden kann wie die letzten 100 Jahre“, kritisiert er. Klaus Abelmann, Sprecher der für den Naturschutz zuständigen Region Hannover, hofft, dass sich im Zuge der Verträglichkeitsprüfung doch noch eine technische Lösung finden lässt, die alle zufriedenstellt.

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