Dreckschleudern auf den Meeren: Müllverbrennung auf hoher See

Der Naturschutzbund rät von Kreuzfahrten ab. Die 20 derzeit geplanten Ozeanriesen würden so viele Schadstoffe ausstoßen wie 120 Millionen Autos.

Gefährdet aus Sicht des Nabu ihre Passagiere: die "Queen Mary 2" am "Cruise Terminal" in der Hamburger Hafencity Bild: dpa

HAMBURG taz| Kein Aufatmen: Nach dem aktuellen Kreuzfahrtranking des Naturschutzbundes (Nabu) ist weiterhin kaum ein Luxusliner, der in den nächsten Jahren norddeutsche Häfen anlaufen wird, „aus Gesundheits- und Umweltsicht empfehlenswert“. Von den 20 Schiffen, die bis 2016 für den europäischen Reisemarkt gebaut werden, verfügen 17 „über keinerlei Abgasreinigung“, kritisierte die Umweltschutzorganisation bei der Präsentation seiner Untersuchung am Dienstag in Hamburg. „Aus gesundheitlichen Gründen“, sagt der Nabu-Luftexperte Axel Friedrich, „ist zurzeit auf keinem einzigen Kreuzfahrtschiff Urlaub ratsam.“

Einzig die Reedereien Hapag Lloyd und Tui rüsten erstmals drei Neubauten mit Stickoxid-Katalysatoren aus. Die beiden Tui-Schiffe erhalten zudem Entschwefelungsanlagen, deren Nutzen allerdings umstritten ist. Rußpartikelfilter jedoch fehlen auch hier. Nach Berechnungen des Nabu-Verkehrsexperten Dietmar Oeliger würde ein wirksames Abgassystem pro Schiff etwa eine Million Euro kosten. Bei geschätzten Baukosten von insgesamt 9,7 Milliarden Euro für die 20 geplanten Neubauten, mache die ökologische Aufrüstung somit lediglich 0,2 Prozent der Investitionssumme aus, sagt Oeliger: „Das ist beschämend.“

Kreuzfahrtschiffe verheizen nach wie vor Bunkeröl, das als Rückstand bei der Dieselproduktion anfällt. Dieser dreckigste und giftigste aller Kraftstoffe ist sehr viel billiger als vergleichsweise sauberer Schiffsdiesel. „Die Ozeanriesen sind schwimmende Müllverbrennungsöfen“, kritisiert Oeliger. „Hinter der polierten Fassade stinkt es gewaltig.“

Tatsächlich verweigern die Reedereien der Luxusliner bislang aus Kostengründen wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der gesundheitsschädlichen Rußpartikel- und Schwefelemissionen. Die 20 neuen Luxusdampfer werden Berechnungen des Nabu zufolge in etwa so viel Schadstoffe ausstoßen wie 120 Millionen Autos – täglich.

Kreuzfahrtschiffe laufen in Norddeutschland vor allem folgende Häfen an:

Hamburg: In diesem Jahr sollen 34 Kreuzfahrtschiffe mit 500.000 Passagieren 177 Mal in Hamburg anlegen.

Warnemünde: Der größte Ostseehafen kalkuliert in dieser Saison mit 197 Schiffsanläufen und 660.000 Fahrgästen.

Kiel: Hier werden 127 Schiffsanläufe und 370.000 Passagiere erwartet.

Bremerhaven: Gerechnet wird mit 53 Schiffsanläufen und etwa 80.000 Fahrgästen.

Sonstige: Einige wenige Schiffe laufen zudem Lübeck-Travemünde und Cuxhaven an.

Verlässliche Zahlen über die Luftbelastung im Hafen gibt es aus Hamburg. Dort haben im vergangenen Jahr 160 Luxusliner nach Angaben des Senats folgende Schadstoffmengen ausgestoßen: 10.500 Tonnen Kohlendioxid (CO2), 177 Tonnen Stickoxide (NOx), 6,7 Tonnen Schwefeldioxid (SO2), 3,5 Tonnen Feinstaub und Ruß. Der Nabu fordert, in alle Kreuzfahrtschiffe Katalysatoren und Filter einzubauen und so den Schadstoffausstoß um mehr als 90 Prozent zu senken.

Selbst im Stand-by-Betrieb am Liegeplatz haben große Cruiseliner mit ihren Küchen, Restaurants, Schwimmbädern und Tausenden Kabinen den Stromverbrauch einer Kleinstadt. Deshalb wird in den Häfen über Landstrom-Anschlüsse nachgedacht: Am Kai sollen die Passagierschiffe ihre Energie aus der Steckdose beziehen und die Bordmotoren abschalten.

In Hamburg ist frühestens zum Beginn der Kreuzfahrtsaison 2015 mit der ersten Anlage zu rechnen: Sie soll am Terminal Altona eingerichtet werden und 8,75 Millionen Euro kosten. Eine zweite Anlage – in der Hamburger Hafencity – würde nach Berechnungen der Wirtschaftsbehörde mit mindestens 17,5 Millionen Euro doppelt so teuer – und sei also unwirtschaftlich: „Die Erlöse in der Hafencity wären geringer als in Altona“, heißt es in einer internen Drucksache.

Mittlerweile ist in Hamburg sogar ein drittes Kreuzfahrterminal auf Steinwerder im Gespräch, das mit Landstrom ausgerüstet werden könnte. Darüber soll noch in diesem Monat eine Entscheidung fallen. Vorerst aber werde weiter „Dreck durch die Schornsteine gejagt“, sagt der Nabu-Hafenexperte Malte Siegert – „ohne Rücksicht auf Verluste“.

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