Doping im Radsport: Lance Armstrong wird auspacken

Die Beweise sind erdrückend. Nach jahrelangem Leugnen gesteht Lance Armstrong Doping. Er belastet auch seinen ehemaligen Rennstall und mehrere Radsportfunktionäre.

Vom Ehrgeiz zerfressen: Lance Armstrong. Bild: dpa

AUSTIN/BERLIN dapd | Ein Jahrzehnt lang hat Lance Armstrong geleugnet, jetzt hat er doch noch seine Doping-Beichte abgelegt: In einem Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey gestand das US-Radsportidol ein, sich mit leistungssteigernden Substanzen zum Tour-de-France-Sieg geschummelt zu haben. Das berichteten informierte Kreise nach der Aufzeichnung des Gesprächs am Montag. Ausgestrahlt wird das Interview erst am Donnerstag.

Wie ausführlich er über sein Doping-Programm berichtete, war unklar. Doch seine Beichte ebnete möglicherweise auch den Weg für eine Reihe von Enthüllungen, die die Radsportwelt bis ins Mark erschüttern könnten. Nach Informationen der New York Times plant der 41-jährige nun auch mehrere wichtige Persönlichkeiten im Internationalen Radsportverband sowie Vertreter seines US-Postal-Service-Radteams zu belasten, die über das Doping Bescheid wussten und es möglicherweise sogar ermöglichten.

In dem Interview sei der frühere Radprofi „teilweise emotional“ gewesen, sagte eine Gewährsperson, die die Aufzeichnung kennt, der Nachrichtenagentur AP. Winfrey schrieb auf ihrem Twitter-Profil, sie habe zweieinhalb Stunden mit Armstrong gesprochen. Am Dienstag wollte sie sich in der Fernsehsendung CBS This Morning zu dem Interview äußern.

Schon vor der Aufzeichnung hatte Armstrong einen Zwischenstopp bei der von ihm gegründeten Krebsstiftung Livestrong eingelegt und sich bei den rund 100 Mitarbeitern entschuldigt. Dabei habe er mit stockender Stimme „Es tut mir leid“ gesagt, worauf einige Angestellte in Tränen ausgebrochen seien, sagte eine mit dem Ablauf des Treffens vertraute Person. Armstrong habe sich dafür entschuldigt, die Mitarbeiter hängen gelassen und die Existenz der Stiftung aufs Spiel gesetzt zu haben.

100 Millionen erradelt

Nach dem Durchsickern der Doping-Beichte wurden bereits die ersten Schadenersatzforderungen gegen Armstrong laut, dessen Vermögen auf 100 Millionen Dollar geschätzt wird, der aber von den meisten seiner Sponsoren fallengelassen wurde.

Die Regierung des australischen Bundesstaats South Australia forderte mehrere Millionen Dollar Antrittsgage zurück, wie Ministerpräsident Jay Weatherill am Dienstag sagte. Und auch die Sunday Times, die dem Ex-Radprofi 500.000 Dollar wegen Verleumdung hatte zahlen müssen, könnte nach einer Beichte das Geld einklagen.

Durch die Arbeit der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada war das legendäre Radsport-Idol auch ohne positiven Test als Dopingsünder überführt worden. Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte der Texaner die immer wiederkehrenden Anschuldigungen gebetsmühlenartig mit seinem Standardsatz beantwortet, dass er mehr als 500-mal kontrolliert worden und nicht eine positive Probe dabei gewesen sei.

Lebenslange Sperre

Im Februar 2012 schien er seinen Kopf endgültig aus der Schlinge gezogen zu haben, als die staatsanwaltschaftliche Untersuchung in den USA eingestellt wurde. Doch die Usada gab nicht auf und brachte die Ermittlungen schließlich zu einer Anklage gegen Armstrong mit dem Ergebnis einer lebenslangen Sperre. Der Weltverband UCI bestätigte das Urteil, mit dem ihm alle nach dem 1. August 1998 errungenen Erfolge aberkannt wurden, darunter seine sieben Tour-de-France-Titel (1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005).

Dabei hatte Armstrong dem Radsport gegeben, was dieser so dringend brauchte: eine schier einzigartige Heldengeschichte. Vor seiner 1996 bekannt gewordenen Hodenkrebserkrankung, die er im fortgeschrittenen Stadium besiegte, hatte er bereits die Straßenrad-WM gewonnen.

Armstrong kam bullig daher, kein Fahrer für die steilen Rampen in den Alpen und Pyrenäen. Das änderte sich, als der Texaner 1998 sein Comeback gab. Armstrong hatte einige Kilo abgenommen und sich zu einem exzellenten Rundfahrer entwickelt. Er dominierte die Tour wie vorher nur Eddy Merckx, Bernard Hinault oder Miguel Indurain.

Das bekam insbesondere Jan Ullrich schmerzlich zu spüren. An Armstrong kam der einzige deutsche Toursieger nicht mehr vorbei. Dreimal Zweiter, einmal Dritter, einmal Vierter lautete die ernüchternde Ullrich-Bilanz während der Armstrong-Regentschaft auf den Landstraßen Frankreichs.

Simulierte Schwächen

In Erinnerung bleiben große Auftritte Armstrongs wie einst in Alpe d'Huez, als er die ganze Etappe über Schwächen simulierte, um dann Ullrich davonzufahren. Oder 2003 beim Aufstieg nach Luz-Ardiden: Armstrong stürzte, kämpfte sich wieder heran und fuhr schließlich Ullrich davon, um sich am Ende mit 61 Sekunden Vorsprung vor dem Deutschen den Toursieg zu holen.

Doch über die Jahre geriet das Denkmal durch immer schwerer wiegende Dopingvorwürfe zunehmend ins Wanken. Seine Kritiker überzog Armstrong teils erfolgreich mit juristischen Verfahren, aber letztlich schob das den bitteren Moment der Beichte nur auf. Im November strich sogar die von Armstrong selbst ins Leben gerufene Livestrong-Stiftung seinen Namen aus dem Titel.

Vor einer Woche hatte die New York Times schließlich berichtet, Armstrong erwäge ein Geständnis. Seinen ehemaligen Mannschaftskollegen Jonathan Vaugthers zitierte die Zeitung mit den Worten: „Ich denke, dass die Dopingfahnder jetzt ein großes Interesse daran haben, zu erfahren, wie Lance es geschafft hat, nicht geschnappt zu werden, wie er sich um die ganzen Tests drücken konnte.“

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