Digitale IS-Propaganda: Dschihad statt Autodiebstahl

Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ modifiziert „Grand Theft Auto V“ für Propagandazwecke. So sollen junge Kämpfer angeworben werden.

Computerspiel oder Wirklichkeit? IS-Kämpfer im Irak Bild: ap

Der kurze Videoclip beginnt in brüchigem Englisch: „Your games which are producing from you, we do the same actions in the battlefields!!“ Was danach folgt, ist verstörend. In einer Videospielszene bewegen sich mehrere in schwarz gekleidete Kämpfer in einer Wüstenregion, die mit Raketenwerfern und Granaten Anschläge auf Militärfahrzeuge verüben. Polizisten und Militärangehörige werden mit mehreren Schüssen aus einem Sturmgewehr durchlöchert, in Zeitlupe wird der Gewaltakt glorifiziert.

Im Hintergrund ist immer wieder „Allahu Akbar“ (“Gott ist groß“) zu hören. Am Ende des kurzen Videos erscheint eine schwarze Flagge mit einem Siegelring und dem islamischen Glaubensbekenntnis, das Zeichen der islamistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Daneben prangt jedoch noch etwas anderes: Das Logo des Videospiel-Hits „Grand Theft Auto“ („GTA“).

IS bediente sich der englischsprachigen Webseite telegraph.co.uk zufolge für ihren neuen Propagandafilm „Grand Theft Auto: Salil al-Sawarem“ (in etwa: „Das Geräusch sich kreuzender Schwerter“) an Gameplay-Szenen des Videospiels „GTA V“. Die „Game-Ästhetik“ soll vor allem junge Männer anziehen, die sich mit dem Videospiel identifizieren können.

Der Kampf gegen den Westen und Ungläubige soll so den Anschein eines Spiels erwecken. Laut dem Telegraph, der sich auf eine IS-Erklärung beruft, solle mit den Szenen die „Moral der Mudschaheddin“ gestärkt werden. Zudem solle Kindern und Jugendlichen gezeigt werden „wie man den Westen bekämpft und den Terror in die Herzen derjenigen trägt, die gegen den Islamischen Staat sind.“

„GTA V“ gilt als eines der erfolgreichsten Videospiele überhaupt, das am Erscheinungstag Mitte September 2013 bereits über 800 Millionen Dollar einspielte und sich bis August diesen Jahres über 34 Millionen Mal verkaufte. Im Spiel bewegt man sich in einer komplett frei begehbaren Welt, in der die Spieler Autos klauen und zahlose Waffen einsetzen können.

Modifizierung des Originalspiels

Die Story wird im Originalspiel von komplexen Charakteren getragen. Der Open-World-Titel unterteilt sich in mehrere Klimazonen. Auch eine wüstenähnliche Landschaft ist dabei. Dort spielt vermutlich das Propagandavideo. Die Spielmechanik und Interaktivität eines Open-World-Titels wie „GTA V“ bieten hierbei ein ideales Terrainfür kreative Spieler. So inszenieren versierte Spieler mitunter ganze Filme. Das offene Gameplay nutzte IS für seine propagandistischen Zwecke aus.

Die im Clip dargestellten Fahrzeuge sind im Originalspiel enthalten, lediglich die schwarze Kleidung der Figuren erscheint neu. Derartige Veränderungen werden in Spielen meist durch Modifikationen („Mods“) bewirkt. Auf Konsolen gestaltet sich „Modding“ jedoch als schwierig, da dem Spiel kein entsprechendes Werkzeug beigelegt ist. Erst auf dem PC ist die Bearbeitung deutlich einfacher.

Für den Vorgänger „GTA IV“ gab es auf der Konsole nur eine handvoll Mods. Nach dem PC-Release erschienen innerhalb kürzester Zeit jedoch tausende Veränderungen, die es mitunter völlig umkrempelten. „GTA V“ wird voraussichtlich am 27. Januar 2015 für den PC erscheinen.

Laut einem Bericht von newyorker.com nutzte IS bereits andere Spiele zu Rekrutierungszwecken von jungen potenziellen Dschihadisten. Ein IS-Kämpfer sagte der BBC im Juni, dass sein neues Leben besser als das Spiel „Call of Duty“ sei. „This is our ‚Call of Duty‘ and we respawn in Jannah“, lautete ein anderer IS-Beitrag zum Spiel. „Respawn“ meint den Wiedereinstieg nach dem Tod der Hauptfigur im Spiel, „Jannah“ ist die islamische Form des Paradieses.

Die Idee, Spiele zu Rekrutierungszwecken zu benutzen, ist nicht neu. Bereits 2002 veröffentliche die US-Armee das vom Verteidigungsministerium finanzierte Spiel “Americas Army“. Der kostenlose Titel dient keinem Trainingszweck, sondern soll junge, intelligente Menschen anwerben. Die besten Spieler werden vom Rekrutierungsangestellten des Heeres per E-Mail angeschrieben und bekommen einen Platz in der Armee angeboten.

IS zeigte sich bereits im Umgang mit Facebook, Instagram und Youtube affin und professionell. Auf Twitter posteten die Terroristen im August das Enthauptungsvideo des US-Journalisten James Foley. Zwar werden die jeweiligen Videos und Accounts jedes Mal gelöscht, dutzende IS-Sympathisanten verbreiten das Material jedoch mittels der Anlegung neuer Profile jedes Mal weiter. Auch schnitt die Terrororganisation Teile aufgenommener Kampfszenen zusammen, um daraus den aufwendigen Propagandafilm „The Clanging of the Swords“ zu produzieren.

Der Basler Terrorismus-Experte Samuel Althof gab gegenüber dem Newsportal 20min.ch in Anbetracht der „GTA V“-Szenen Entwarnung. Die dargestellten Inhalte in der „IS-Mod“ hätten auf junge Menschen ohne direkten Bezug zu IS keine Wirkung. Vielmehr müsse man schon eine grundsätzliche Neigung zur IS-Ideologie haben, um sich durch die Szenen beeinflussen oder gar anwerben zu lassen. „GTA V“-Entwickler „Rockstar Games“ wollte das Thema indes nicht kommentieren.

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