Die Zukunft der Supermärkte: Showkochen neben der Käsetheke

Die Zukunft von Kaiser's Tengelmann ist unsicher. Und die der Konkurrenz? Es zählen: Erlebnisorientierung und hohe Qualität.

Eine Frau steht in einem breiten Supermarktgang

Hauptsache billig war gestern Foto: photocase.de/christophe papke

BERLIN taz | Die Zukunft hat grüne leuchtende Quader an der Decke, breite Gänge und Kundentoiletten. Zumindest die Zukunft, wie sie sich der Discounter Aldi Süd vorstellt, und gemessen daran, dass die Gegenwart eher Gänge in Minimalbreite, von der Decke hängende Preisschilder und bloß keinen Quadratmeter Verkaufsfläche ohne Ware vorsieht, ist das ein ziemlich deutlicher Sinneswandel.

Es ist nicht die einzige Neuerung auf dem Markt. „In fünf bis zehn Jahren wird der Lebensmitteleinzelhandel auf Erlebnisorientierung und hohe Qualität ausgerichtet sein“, sagt Marco Atzberger vom EHI Retail Institute. Bert Warich vom WABE-Institut für Wirtschafts- und Arbeitsmarktforschung sieht darüber hinaus zwei weitere Tendenzen: „Wir werden eine zunehmende Konzentration haben und uns an das Liefern von Lebensmitteln gewöhnen.“

Schon jetzt zeichnet sich ab: Hauptsache billig war gestern. So zeigt etwa das Consumer-Panel des Marktforschungsinstituts GfK seit einigen Jahren sinkende Umsatzanteile bei Discountern, wohingegen die Anteile der Supermärkte langsam wachsen – auch wenn die Discounter mit über 40 Prozent Umsatzanteil immer noch am stärksten sind. Trotzdem ist sich Warich sicher: „Der Discount-Trend ist passé.“

Als Ursache macht er eine veränderte Einstellung zu Lebensmitteln und zum Kochen aus: Es gehe nicht mehr vorrangig um die Beschaffung und Aufnahme von Nahrung, sondern um ein Erlebnis. Und das fange beim Einkaufen an: vom sanften Licht über die Bioecke bis zum Showkochen neben der Käsetheke. „Händler, die überleben wollen, müssen auf diesen Zug aufspringen.“

Warich glaubt jedoch nicht, dass die Biomärkte davon profitieren. Stattdessen würden sich die großen Händler entsprechend breiter aufstellen. „Bestehende Ketten, auch im Biolebensmittelhandel, werden an den Rand gedrängt oder zu Übernahmekandidaten.“ Damit werde die Konzentration – schon vor zwei Jahren beklagte das Bundeskartellamt, dass vier Konzerne 85 Prozent des Markts stellen – weiter zunehmen.

Amazon steigt ein, die Lebensmittelhändler ziehen nach

Der E-Commerce könnte daran etwas ändern. „Amazon könnte tatsächlich den großen Konzernen etwas Marktanteile abnehmen“, sagt Warich. Die Händler halten sich derzeit mit Investitionen in den Lieferservice eher zurück. Die Margen sind zu niedrig. Und Versandkosten müssen die Kunden erst einmal akzeptieren. Doch Amazon kann es sich leisten, auch über einen längeren Zeitraum Verluste einzufahren.

Bei einem Spitzentreffen am Donnerstag vereinbarten die Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe, Markant und Norma sowie Vertreter der Gewerkschaft Verdi, innerhalb von elf Tagen eine Einigung erzielen zu wollen. Ziel ist es dabei, dass Edeka wie vereinbart die Kette als Ganzes übernimmt und die Konkurrenten ihre Klagen vor Gericht zurücknehmen. Alle verständigten sich demnach auf das Ziel, "dass die Ministererlaubnis" von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) umgesetzt werden kann. Das hieße, dass Edeka alle Filialen der Supermarktkette übernimmt und die Bedingungen Gabriels erfüllt: Edeka muss 97 Prozent der Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens fünf Jahre sichern und die drei Birkenhof-Fleischwerke mindestens drei Jahre erhalten. (reuters)

Atzberger skizziert daher folgendes Szenario: Amazon steigt in den Markt ein, die Lebensmittelhändler ziehen nach und orientieren sich dabei daran, wie Amazon seine Plattform gestaltet. Das Zusammenklicken von Waren über eine Website würde zum Auslaufmodell, stattdessen könnten automatisierte Bestellprozesse – wie sie Amazon bereits mit dem Dash-Button erprobt – an Bedeutung gewinnen.

„Dann werden wir einen Wettkampf der Giganten haben“, sagt Warich. Große Handelskonzerne versus Amazon. Wie die Unternehmen versuchen, gerade am Anfang Kunden zu binden, zeigt sich derzeit bei Kaufland. Laut einem Bericht der Lebensmittelzeitung testet die Kette der Schwarz-Gruppe, zu der auch Lidl gehört, gerade den Versand von Lebensmitteln – zunächst ohne Versandkosten.

Das mit den knappen Margen könnte sich laut Warich übrigens langfristig von selbst lösen: Denn mit der demografischen Entwicklung nehme der Anteil derer zu, die mit dem Schleppen der Einkäufe Probleme haben. Damit werde die Bereitschaft steigen, für eine Lieferung etwas mehr zu zahlen.

Beide Experten rechnen zwar damit, dass die Online-Umsätze in den nächsten bis zu zehn Jahren nicht über 10 Prozent des Marktanteils steigen werden. Doch angesichts des Gesamtvolumens wären das immerhin rund 17 Milliarden Euro.

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