Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Peter Altmaier schadet mit seinem Nebenjob der Regierung, Sean Spicer bekommt Nachhilfe in Sachen Hitler und Erdoğan filetiert sein Volk.

Ein Mann steht vor dem Weißen Haus in Washington D.C.

Hat ein wenig Geschichtsnachhilfe nötig: Sean Spicer Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die Wahlplakate der NRW-Grünen zeigen eben diese Farbe, ein neongrell überdrucktes Irgendwasfoto und dazu stets eine Liste, etwa „1. Freiheit, 2. Sichern“.

Und was wird besser in dieser?

„1. Agentur hat Schädel durchgesetzt, 2. Voll verloren.“

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat das Referendum für eine neue Verfassung gewonnen. Und jetzt?

Gemach, er hat die Bevölkerung chirurgisch sauber in zwei näherungsweise gleichgroße Widerparteien filetiert. Soweit man Zahlen vertrauen möchte, die von einem Regime stammen, das noch nicht widerlegt hat, ein reingeschneites Pütschchen dankbar mitgenommen zu haben. Erdoğan wird den AKP-Vorsitz anstreben, per Dekret regieren, Zweifler mit dem Hinweis auf das US-Präsidialsystem betäuben. Das galt früher mal als Metapher für Demokratie. Was, wenn eine Volksabstimmung über die Wiedervereinigung dunnemals stattgefunden hätte und circa 50/50 ausgegangen wäre? Wie wäre es uns seither ergangen, wo wären wir damit heute? Und wie sähe die DDR 2017 die Lage der Türkei?

Und was bedeutet das für unseren Kollegen Deniz Yücel?

Klar muss man hoffen, ein milde gestimmter Sultan wedele seinen Schergen Orders der Barmherzigkeit zu. Auch wenn das „Danke“ dafür in bester Gesellschaft des Mageninhaltes hochkäme. Justizminister Maas fragt auf Twitter, was wohl Yücel und die anderen Inhaftierten zum Referendum schrieben. Kann man als Vorschlag für die Amnestieliste lesen.

Kanzleramtschef Peter Altmaier wird auch noch CDU-Wahlkampfmanager. Ist die Aufregung geheuchelt?

Vom Bundeskanzleramt zur CDU-Bundesgeschäftsstelle am Lützowufer sind’s 2,9 Kilometer mit dem Fahrrad, je nach Geschäftslage also 6 bis 12 Kilometer täglich. „Schatz, du musst abnehmen“ sieht schon mal anders aus. 1986 „erfand“ Heiner Geißler die unbekannte Rita Süßmuth als seine Nachfolgerin im Ministeramt, „weil er sich als Generalsekretär auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf 1987 konzentrieren“ wollte. Das war sauber und in der damaligen Kohl-Dämmerung auch ein sachtes Aroma von Unfallflucht. Die Aktion Altmaier ist deutlich hastiger und missachtet Hygienestandards. Welcher mitregierende Sozialdemokrat sollte nun noch so fahrlässig sein, den zentralen Kommunikator der Kanzlerin mit dienstvertraulichen Informationen zu verführen? Altmaier schadet so der Regierungsarbeit, zur Gesichtswahrung sollte er schnell ankündigen, das Ministeramt wenigstens in der heißen Wahlkampfphase ruhen zu lassen.

Seit der Legalisierung für medizinische Zwecke gilt Cannabis als neuer Garant für Reichwerden. Schon investiert?

Zucke schon, wenn im Börsencrawl bei n-tv das Wort „Joint Venture“ auftaucht.

Sean Spicer, der Sprecher von US-Präsident Donald Trump, hat Syriens Machthaber Baschar al-Assad als verabscheuungswürdiger als Hitler dargestellt. Hitler habe „Gas nicht auf dieselbe Art und Weise gegen sein eigenes Volk eingesetzt“ wie Assad, sagte er. Geben Sie Spicer ein bisschen Nachhilfe?

Kompetentere Historiker als ich haben darauf hingewiesen, dass Hitlers zeitweilige Erblindung durch Giftgas im Ersten Weltkrieg ein Momentum der folgenden Skrupellosigkeit gewesen sein mochte. Wie er Gas gegen die eigene Bevölkerung einsetzte, ist Spicer unterdes dargelegt worden. Rhetorik nach dem Rezept „ein Teil Hitler, zwei Teile heißer Dampf“ ist das eine. Bedrückender scheint: Trumps Administration taumelt nach wenigen Monaten dem Nullpunkt zu, an dem nur noch fadenscheinige Begründungen für das Gehampel des Potus produziert werden.

Weniger als einen Tag nach dem Anschlag auf den BVB-Bus musste die Mannschaft wieder spielen. Zeichen gegen den Terror oder unzumutbar?

Die Beweislage ist derzeit so dünn, dass Donald Trump jederzeit einen Luftangriff auf die Südtribüne befehlen würde. Man kann einigermaßen belastbar folgern, dass die vermeintlich „islamistischen“ Bekennerbriefe nur von den Tätern stammen können und also deren Absicht war, Hass auf Muslime zu schüren. Das verortet die vermutlichen Täter weit rechts. Den lebensgefährdeten Spielern mag das wenig helfen. Sicher wäre es eine gute Geste gewesen, auf das Spiel zu verzichten oder mit Augenzwinkern ein Dutzend fitte Jungs der Amateurmannschaft nachzunominieren. Das wäre jedoch eher die Melodramatik für einen Verein, der „echte Liebe“ im Panier führt, nicht für die BVB KGaA.

Und was machen die Borussen sonst so?

Bus fahren.

Fragen: JÜK, FSCH, MBRS

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.