Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Der Wiedererkennungswert der Grünen, „Nafri“ als Wort des Jahres 2014, und wie sich Deutschland tatsächlich abschafft.

Drei junge Menschen gucken sich Aushänge für Jobs und Lehrstellen an

Unter- statt Obergrenze: Der Arbeitsmarkt benötigt mindestens 500.000 Zuwanderer mehr Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Le Pen, Petry, Orbán, Wilders, Strache stehen auf straffe, durchgreifende nationale Sicherheitsbehörden.

Und was wird besser in dieser?

De Maizière auch.

Grünen-Chefin Simone Peter kritisierte die Polizeiarbeit am Kölner Bahnhof in der Silvesternacht. Am Montag folgte dann Lobgesang auf die Polizei – warum so unentschlossen?

Die Grünen werden derzeit weder für ihre antirassistische Tradition belobigt noch als neuerdings Partei der inneren Sicherheit wahrgenommen. Ihr Spektrum reicht von „pro Videoüberachung“ (Özdemir), „weniger political correctness“ (Kretschmann) über grüne Polizisten, die besser ausgerüstet werden sollten (Göring-Eckardt) bis zum Selberschuld – Behördenwirrwarr – Standardtanz (Hofreiter). Eine schöne Gelegenheit, mangels klarer Linie den Kontaktbereichsbeamten um einen Platzverweis zu bitten: In dieser heillos überkochten Debatte hätten die Grünen das Alleinstellungsmerkmal, einfach mal den Mund zu halten. Doch zugleich läuft die Urwahl zum Spitzenduo, und die Umfragewerte zur Bundestagswahl bröckeln. Özdemir: „Wir müssen aufpassen, dass sich die Gesellschaft nicht so verändert, dass wir sie nicht wiedererkennen.“ Hübsch wäre, wenn die Grünen dabei so blieben, dass man sie noch wiedererkennt.

„Nafri“ – haben wir damit schon das Wort des Jahres 2017 gefunden?

2014. Da benannte die Polizei in Düsseldorf und Köln Arbeitsgruppen „Casablanca“ und eben „Nafri“. Auch mit den Stimmen der Grünen wurde 2016 ein Landtagsuntersuchungsausschuss eingesetzt; im Auftrag finden sich diese Begriffe wieder. Bemerkenswert umstritten hingegen ist die Auslegung: Profiling von „Nordafrikanern“ sei rassistisch, profiling von „nordafrikanischen Intensivtätern“ hingegen polizeilich notwendig. Interessant, dass jeder Polizeisprecher dazu eine andere Auslegung hat. Das erschwert die Anwendung der Richtlinie 12.1. des Pressekodex, wonach die Herkunft von Tatverdächtigen nur genannt werden soll, wenn dies für das Verständnis der Straftat von Belang ist. Der Kölner Express haut die „Nafris“ auch in dicke Schlagzeilen, andere schmähen dies als journalistischen Antanzversuch an Rassisten. Dabei ist es im Grunde einfach: Solange jemand der Tat nur verdächtig ist, kann seine Herkunft nicht von Belang sein. Allenfalls wäre es Kritik an der Polizei, wen sie nun schon wieder verdächtigt und warum? Bei den Hooligan-Ausschreitungen, die in Köln vorausgingen, störte niemanden der Verzicht auf Herkunftsbezeichnung. Ich vermisse den regelmäßigen Hinweis auf SÄHOP, wenn es um die Migrationsdebatte geht, sächsische Hohlpfosten.

Sigmar Gabriel hat sich den Magen verkleinern lassen. Optisch wirksamer wäre es, der Magen bliebe so und ließe sich den Sigmar vergrößern

Die Zahl der Erwerbstätigen war seit der Wende noch nie so hoch. Auch die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte hat geholfen, negative demografische Effekte auszugleichen. Hört das jemand?

Oh, man könnte noch einen Rekordhaushaltsüberschuss drauflegen und Rekordrentenerhöhungen. Das merkt niemand, weil die Union sich um eine Obergrenze prügelt – während das Land rechnerisch eher eine Untergrenze bei der Zuwanderung braucht. Dummerweise passen die beiden gar nicht zusammen; die völkische Vorgartenpflege will höchstens 200.000 reinlassen – Sozialversicherungen und Arbeitsmarkt benötigen mindestens 500.000 Zuwanderer mehr per annum. Rein rechnerisch gilt also für die Politik der Obergrenze der Sarrazin-Claim: „Deutschland schafft sich ab.“ Paradox: Wer – wie die CSU – möchte, „dass Deutschland Deutschland bleibt“, wird mit einer gehörigen Entdeutschung klarkommen müssen.

Es gibt CSU-Mitglieder, die auf Rot-Rot-Grün hoffen, damit die Bayern vor lauter Schreck bei den Landtagswahlen 2018 brav CSU wählen. An welcher Strategie feilen Sie gerade?

Sigmar Gabriel hat sich den Magen verkleinern lassen. Optisch wirksamer wäre es, der Magen bliebe so und ließe sich den Sigmar vergrößern. Ab Ende Januar muss er als Kanzlerkandidat Charisma entwickeln. Wollen die Rot-Rot-Grün oder die Ampel mit den Sorgenliberalen von der FDP? Und können wir Sigis Satz zur GroKo „Wir werden alles tun, um das zu verhindern“ vielleicht doch mal in ein schlichtes „Nein“ umtauschen? Unser Verschwörungstipp: Gabriel wird von der SPD wegen erheblicher GroKo-Vorstrafen als Gefährder eingestuft, und Martin Schulz fährt das Ding nach Hause.

Und was machen die Borussen?

Der BVB mit Problemen bei den Neuen, den Alten, Unzufriedenheit bei den Fans und halbgarem Saisonverlauf. Man könnte eine Trainerdiskussion führen, damit es so weitergeht.

Fragen: NGB, AMNA

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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