Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Herrendutt-Festspiele in Frankreich, England holt die Kronjuwelen raus und dann gibt's noch den Herrn mit der explodierten blonden Teppichfliese obendrauf.

Die Kronjuwelen der bitischen Königin werden in einer Kutsche transportiert

Die Kronjuwelen auf dem Weg nach Schottland Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Diese EM wird mir als Herrendutt-Festpiele in Erinnerung bleiben.

Und was wird besser in dieser?Hab’s versucht, steht mir nicht.

Die Mehrheit der Engländer und Waliser hat für den EU-Austritt gestimmt. Kommen Schotten und Nord­iren jetzt zu uns? Und schaffen wir das?

Beide können erst mal hübsch die Zentralregierung erpressen, jetzt so segensreich herumzusubventionieren, wie es bisher die EU tat. Schottland ist im UK ein kleiner Teil; in Europa wäre es ein eigener Staat – hier kommt die Frage, ob man sich im Unglück der Unterjochung gemütlich eingerichtet hat oder einen Schritt ins Unbekannte wagt. Irland wäre die Wiedervereinigung nicht mehr zu verwehren – um den Preis, dass die alten Bürgerkriegsparteien sofort wieder loszündeln. Die EU hat die gesprengten Bauteile Jugoslawiens aufgenommen und damit vor allem sichergestellt, dass es Jugoslawien nicht mehr geben wird.

By the way: Sollen die Schotten nun noch mal über ihre Unabhängigkeit abstimmen?

Die Geschäftsgrundlage hat sich geändert, damals blieb die Mehrheit der Schotten beim EU-Mitglied Großbritannien. Deswegen machte ein neues Referendum Sinn. England wird die Kronjuwelen versprechen, damit Schottland bleibt. Für England entstünde die Perspektive: Auf dem Weg von der Weltmacht zum Kleinstaat haben wir mal kurz in der EU Pause gemacht. Das entspricht nicht dem Selbstverständnis der Briten.

Genannte Engländer, Waliser und Nordiren durften alle bei der Fußball-EM antreten. Ungerecht, oder?

Das geheime Kalkül der Separatisten zielt ja auf den ESC und die vielen Punkte, die man sich dann untereinander zuschanzen kann.

Ein letztes Wort zum „Populismus“: Der ist böse – und die EU, auch so, wie sie ist, bleibt auf jeden Fall das Bessere, richtig?

Die Krücke sollten wir den Rechten mal wegtreten. Es gibt nichts dran auszusetzen, wenn in einer Demokratie Politik populär ist. Wenn ein Referendum gegen Atomkraft „direkte Demokratie“ ist, kann eine Volksabstimmung zu rechten Zielen nicht per se böse sein. Zwischen den klassischen konservativ-völkischen Parteien und Geradeausnazis blähen sich neue rechte Parteien, für die ein Begriff schwer zu finden scheint. Mit „Populismus“ geißeln manche, dass wohlfeil gequatscht und handwerklich nichts eingelöst wird. Zugleich liegt schaudernde Bewunderung darin, dass die Rechten besser zuspitzen können. Der Begriff ist also eine Verlegenheitslösung, wo man sich nicht von „neuen Rechten“ zu sprechen traut. Kann man aber.

Die Türkei hat den Von-der-Leyen-Vertreter Ralf Brauksiepe ausgeladen. Er darf nicht den türkischen Nato-Flughafen Incirlik besuchen, wo Bundeswehrsoldaten stationiert sind. Was erlauben Türken?

Mist, ich wollte immer mal recherchieren, ob er verwandt ist mit Aen­ne Brauksiepe, Familienministerin unter Kiesinger 1968. Weiß das jemand? Wobei: Vorlaute Omas werden Erdoğan vermutlich auch nicht umstimmen. Jedenfalls großen Respekt vor der türkischen Comedynummer, aus lauter Spaß am Radau ein Referendum über die EU abzuhalten, obwohl man noch gar nicht drin ist.

Wie lautet der Name des Bundesinnenministers, mit dem die Bundesrepublik in die parlamentarische Sommerpause gehen sollte?

Thomas de Maizière tauscht seine Gagschreiber aus. Und weiter geht’s.

Mehr als 24 Stunden haben Abgeordnete der Demokraten im US-Kongress versucht, eine Abstimmung über Restriktionen im Waffenrecht durchzusetzen. Wofür sollten deutsche Abgeordnete sitzen?

Der Filibuster, etymologisch hergeleitet von flibustier, französisch für Freibeuter, ist in Deutschland qua Redezeitordnung und „Berliner Stunde“ nicht möglich. Wobei man das Gemeinte, die schon im alten Rom übliche „Ermüdungsrede“, bei vielen ­Spitzenrhetorikern unter den MdBs schon nach wenigen Minuten zu ­spüren meint. Umgekehrt haben einzelne Oppositionspolitiker die hohe Kunst entwickelt, mit kürzesten Interventionen Rekordabrufe bei YouTube zu erzielen.

Bei der VW-Hauptversammlung haben die Aktionäre Vorstand und Aufsichtsrat entlastet, mit jeweils mehr als 97 Prozent der Stimmrechte. War da was?

Real waren es 53 Prozent, der Rest kam durch eine spezielle Stimmzählsoftware von Bosch. Detail: Da 20 Prozent der VW-Aktien dem Land Niedersachsen und damit dem Staat gehören, sind wir alle irgendwie sehr einverstanden mit VW.

Der Lobbyist Dieter Holzer ist tot. Wollen Sie an ihn erinnern?

De mortuis nihil nisi bene. Wer es schafft, überrascht zu gucken, dass beim Verramschen der DDR-Indus­trie Korruption und Betrug herrschten, kann das privat nachlesen.

Donald Trumps Wahlkampfkampagne geht das Geld aus. Nun hat der Unternehmer sich selbst einen Kredit von 50 Millionen US-Dollar aus seinem Privatvermögen gewährt. Wird er am Geld scheitern?

Gerne. Andere Frage: Warum markiert Gott einen bestimmten Typ politische Trümmergranate mit einer explodierten blonden Teppichfliese obendrauf (Johnson, Trump, Heino)?

Halleluja: Der Song „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin ist kein Plagiat. Das hatte der Nachlassverwalter des Sängers Wolfe der Band Spirit behauptet. Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page und Sänger Robert Plant sollen den Song „Taurus“ aus dem Jahr 1968 abgekupfert haben. Mal ehrlich, haben Sie schon mal was von der Band Spirit gehört?

Jetzt, ja. Spirit hat mit „Taurus“ inzwischen zweistellige Millionenzahlen bei YouTube. Hingucken, Auswandergitarre stimmen – und A/G/C/D selber testen. Frappant. Wobei ohne diese Akkordfolge die halbe Popgeschichte gedopt vom Platz müsste.

Und was machen die Borussen?

Nix.

FRAGEN: AW, MAHA

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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