Die Wahrheit: M wie Missbrauch

Abschließendes zum Fall Broder: Der bekannte Experte für den Klimawandel war wieder einmal im toten Winkel des Verstands unterwegs.

Henryk M. Broder hat also eine Rede vor der AfD-Fraktion im Bundestag gehalten. Streiten wir nicht über die Frage, ob es grundsätzlich richtig von ihm war, das zu tun. Wir wollen es auch keinem Tourette-Kranken vorwerfen, wenn er schlimme Wörter sagt, und Donald Trump nicht, wenn er zu Twitter greift. Sie können halt nicht anders.

Schauen wir also lieber, was er da erzählt hat, bevor er sich vor den Kameras der Klemmnazis hat zusammenknuddeln ­lassen. Denn das war, wie der Historiker Michael Wolfssohn für die Welt festhielt, „erfrischend-fröhlich-frech-mündig-aufmüpfig-antiautoritär“. Wirklich? Allerdings!

Und das nicht nur, weil Broder Alice Weidel damit endlich von ihrer Homosexualität spontangeheilt und somit der volksdeutschen Fruchtbarkeits­reserve zugeführt hat. Sondern auch, weil er so aufmüpfig-antiautoritär den „weltweiten Hype um eine 16-jährige Schwedin, die sich für eine Wiedergängerin von Jeanne d’Arc hält“, enttarnt hat. Was ihn zu der erfrischend-mündig-frechen Forderung führte: „Ich bin für eine Verschärfung des Tatbestands ‚Kindesmissbrauch‘, um auch solche Fälle verfolgen zu können wie den der bereits erwähnten Greta aus Schweden, die von den Klimarettern zur Ikone ihrer Bewegung erkoren wurde.“

Denn es ist höchste Zeit, dem Missbrauch von Kindern, die von irgendwelchen missionarisch veranlagten Erwachsenen für ihre kruden Vorstellungen instrumentalisiert werden, einen Riegel vorzuschieben. Man denke nur an die Messdiener in einem katholischen Gottesdienst! An minderjährige Tanzmariechen im Karneval! Oder an die 14-jährige Susanna F. aus Wiesbaden oder die 15-jährige Mia V. aus Kandel, die von der AfD für ihre migrationspolitischen Forderungen missbraucht wurden.

16-Jährige können natürlich keine eigene Meinung zum Klimawandel haben, da sie qua Lebensalter noch nicht genug darüber wissen

Ach, halt, nein! Das ist natürlich etwas anderes. Diese Jugendlichen konnten sich ja – anders als Greta Thunberg – nicht aussuchen, wofür sie posthum ihre Stimme erheben. Dann handelt es sich selbstverständlich nicht um Missbrauch, sondern um einen guten Grund, auf eine fröhlich-freche Rede bei denjenigen vorbeizuschauen, die tote Mädchen zu Ikonen ihrer Bewegung erkoren haben.

Und ja, wir wollen uns ernsthaft fragen: Wäre die Welt nicht generell eine bessere, würde man endlich darauf verzichten, irgendwelche Leute missbräuchlich für seine Ziele zu instrumentalisieren? 16-Jährige können natürlich keine eigene Meinung zum Klimawandel haben, da sie qua Lebensalter noch nicht genug darüber wissen. Da ist es selbstverständlich missbräuchlich, sie sich öffentlich äußern zu lassen.

Das wäre ja so, als hätte man jemanden, der nachweislich nicht den Hauch einer Ahnung von Naturwissenschaften, Klima und Physik hat, sich öffentlich über den Klimawandel äußern lassen und ihn dann auch noch zur Ikone der Klimaskeptiker-Bewegung auserkoren – also jemanden wie Henryk M. Broder. Einen derartig brutalen Missbrauch kann ja nun wirklich niemand wollen!

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

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