Die Wahrheit: Die Marke mit dem Viertel-Iren

Vorigen Montag erschien in irland zum 50. Todestag von Che Guevara eine Briefmarke. Ein schlichter Politiker verhalf ihr ungewollt zum Erfolg.

Wie macht man im Zeitalter der E-Mails eine Briefmarke zu einem Bestseller? Indem man einen schlichten Politiker dazu bringt, gegen das Motiv der Marke zu protestieren. Neale Richmond ist ein irischer Senator, er gehört der rechten Regierungspartei Fine Gael an, und er findet die neue Briefmarke „furchtbar“.

Sie erschien vorigen Montag zum 50. Todestag von Che Guevara. Richmond fragte, ob demnächst Pol Pot mit einer Briefmarke geehrt werde. Der ist aber kein Ire – im Gegensatz zu Che Guevara, der immerhin Viertel-Ire ist.

Die Dubliner Hollywood-Legende Maureen O’Hara erzählte einmal von den Arbeiten zum Film „Unser Mann in Havanna“. Jeden Abend nach Drehschluss saß sie an der Hotelbar – ebenso wie ein junger Mann, der die ganze Zeit über Irland redete.Seine Oma stammte aus Galway, antwortete er, und als Kind habe sie ihm alles über Irland erzählt. Ihr Name war Lynch, und deshalb sei sein richtiger Name Ernesto Guevara Lynch. Einer seiner entfernten Verwandten war ein Richter James Lynch, der 1493 seinen Sohn zum Tode verurteilte, weil der einen spanischen Matrosen getötet hatte. Da sich der Henker weigerte, den Sohn hinzurichten, übernahm der Richter das selbst. Daher stammt der Begriff „Lynchjustiz“.

Che Guevara besaß ein Exemplar des Buches „Guerilla Days In Ireland“ von Tom Barry, einem General in der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Che Guevara benutzte das Buch als Anleitung für den Guerilla-Kampf in Kuba. Er schrieb sogar an Barry und bat ihn um Ratschläge für die Ausbildung von Kämpfern.

In Irland war er drei Mal: 1961 bestellte er in der Bar des Marine-Hotels von Kilkee einen Whiskey. Der wurde ihm von Jim Fitzpatrick serviert, der später das berühmte Poster, das in den siebziger Jahren in jeder WG hing, nach der Vorlage des Fotos von Alberto Korda produzierte. In Kilkee veranstalten sie wegen der Stippvisite jedes Jahr ein Che-Guevara-Festival.

Fitzpatricks Bild ist auf der neuen irischen Briefmarke abgebildet. Im Radio und Fernsehen wurde über Senator Richmonds albernen Protest ausführlich berichtet. Daraufhin setzte ein Run auf das Hauptpostamt in der Dubliner O’Connell Street ein, das übrigens das Hauptquartier der Rebellen vom Osteraufstand 1916 war. Noch nie fand eine Briefmarke solch reißenden Absatz.

Richmond hatte vor einem Jahr schon einmal Schlagzeilen gemacht, als er eine Praktikantin suchte, die sich intensiv um „Verwaltung und Recherche“ kümmern sollte – ohne Bezahlung. Es sei eine tolle Möglichkeit, in eine politische Karriere einzusteigen, sagte er gönnerhaft. Eine Karriere wie Richmonds, auf deren Höhepunkt man gegen eine Briefmarke kämpft?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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