Die Wahrheit: Der Mann mit der einen Idee

Endlich ist der Tag der Tage gekommen. Die Idee ist akut. Überall in der Firma sirrt und summt es. Nur einer bekommt es nicht mit …

Foto: Rüdiger Tillmann

Der Mann mit der einen Idee wunderte sich nicht wenig, als er das Gebäude der Firma betrat. Köpfe schnellten aus Räumen, bevor sie sich hastig zurückzogen. Hinter seinem Rücken vernahm er deutliches Wispern und Flüstern. War etwas Sonderliches geschehen?

Der Mann mit der einen Idee war wie an jedem Morgen in die Bahn gestiegen, um zur Arbeit zu fahren. Auf dem Weg hatte er noch einmal die Idee kontrolliert und sich in sie hineingesteigert. Das war unerlässlich für das morgendliche Gremium, in dem er die Idee weiter schärfen wollte.

Der Mann mit der einen Idee hatte sich erst kürzlich einen schwarzen Bart rund um den Mund wachsen lassen. Das sollte ihm mehr Gewicht in der Firma geben. So trugen sie ihn alle im Verband. Dort war die Idee zu Hause und er eine anerkannte Persönlichkeit. Der Präsident sah ihn mit Wohlgefallen an, und im Verband war man sich sicher, dass der Mann mit der einen Idee eines fernen Tages dem Lehrmeister im Amt nachfolgen würde.

Nie hätte der Mann mit der einen Idee gedacht, dass er einmal so weit kommen würde. Als Kind hatte ihn eine Krankheit überwältigt und zu lang andauernder Schüchternheit verurteilt. Erst spät überwand er mit Hilfe der Idee alle Hindernisse. Heute drückte er der Firma seinen Stempel auf. Dafür musste er die Feinde der Idee in ihre Schranken weisen. Kalt. Gnadenlos. Brutal.

Dann musste sich der Mann mit der einen Idee schon einmal vor seiner Abteilungsleiterin rechtfertigen, die ihn bat, sich zu zügeln. Er habe schließlich viel erreicht, und die Firma habe sich längst die Idee auf die Fahnen geschrieben, das dürfe er nicht gefährden, indem er den Feinden der Idee Angriffsflächen biete. „Wer die Idee nicht unterstützt, ist ein Schwein!“, rief der Mann mit der einen Idee, und in der Abteilung zuckten sie mit den Schultern. Ein ruhiger Arbeitsablauf war ihnen wichtig. Es galt, jeden Ärger zu vermeiden.

Dem Mann mit der einen Idee behagte die Vorstellung, dass gleich das Gremium tagen würde. Wie immer würde er alle Angelegenheiten mit der Idee beantworten. Denn die Idee war die Antwort auf alles. Die Idee und er waren eins, würde er den Anwesenden gewöhnlich mit in den Tag geben.

Der Welt musste die Idee erklärt werden

Doch für den Mann mit der einen Idee war heute irgendetwas anders. Auf allen Fluren sirrte und summte es in der Firma. Fortwährend beglückwünschten sie ihn in der Abteilung. Schon gab es erste Nachrichten aus dem Verband, die er entgegennehmen sollte. Verwundert schaltete der Man mit der einen Idee sämtliche Kanäle ein – und plötzlich verstand er: Der Tag war gekommen. Sein Tag. Darauf hatte er ewig lang gewartet. Die Idee war akut geworden. Überall wurde sie besprochen und für wesentlich befunden. Nun würde er als der bedeutendste Vertreter der Idee ebendiese der Welt vorstellen und erklären und letztlich überantworten. Denn das war die Obliegenheit, auf die er sich gewissenhaft vorbereitet hatte.

Der Mann mit der einen Idee empfand es als großes Glück, dass die Abteilung in keinem höheren Stockwerk der Firma lag. Es gab einen Weg aus dem Gebäude, ohne gesehen zu werden.

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kari

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