Die Wahrheit: Conchobar, der feige Stier

Der schwule Stier Benjy wurde kastriert, damit es zu keiner ungeplanten Schwangerschaft kommt. Finden Sie den Fehler.

Patsy war fix und fertig. „Conchobar, mein Stier“, stöhnte er, nachdem er im Wirtshaus einen Whiskey hinuntergestürzt hatte. „Das ist gerade noch mal gut gegangen.“ Patsy ist Bauer, und wie die meisten Bauern in der eher kargen Grafschaft Clare züchtet er Rinder, die er später in die fruchtbaren Midlands verkauft, wo sie gemästet werden, bis sie das Schlachtgewicht erreicht haben. Jeder Stier muss einen Nasenring tragen, an den eine Schnur gebunden ist. Hat der Stier Lust auf eine Stampede, tritt er unweigerlich auf die Schnur, was seiner Nase nicht gut tut.

„Conchobar hatte sich mit dem Nasenring zwischen zwei Steinen eingeklemmt und brüllte erbärmlich“, erzählte Patsy. „Was sollte ich tun? Hätte ich ihn befreit, wäre er mir sicher nicht vor Dankbarkeit um den Hals gefallen, sondern hätte mich vermutlich angegriffen.“ Dann fiel ihm ein, dass Conchobar aus unerfindlichen Gründen Angst vor Patsys kleinem Cockerspaniel hat. Das beruht zwar auf Gegenseitigkeit, aber Patsy kannte kein Erbarmen. Er band den entsetzten Hund direkt vor dem Stier an einen Pflock und begann, den Stein wegzurollen, unter dem sich der Nasenring eingeklemmt hatte. Kaum war der Stier frei, warf er einen verschreckten Blick auf den zitternden Hund und suchte das Weite. Der Cocker spricht seitdem nicht mehr mit Patsy.

Dabei hat der mit seinem feigen Stier noch Glück. Sein Kollege aus Claremorris in der Grafschaft Mayo nördlich von Clare hatte im November 2014 einen Charolais-Stier gekauft. Benjy, wie er hieß, war nicht billig, aber wenn er fleißig gewesen wäre, hätte sich die Investition recht schnell rentiert. Doch Benjy zeigte mehr Interesse an anderen Stieren als an den jungen Kühen. Da der Bauer mit einem schwulen Stier nichts anfangen konnte, wollte er Benjy ins Schlachthaus schicken.

Das hörte John Carmody vom Irischen Tierschutzaktionsnetzwerk. Er startete gemeinsam mit der britischen Homosexuellenorganisation TheGayUK eine Kampagne zur Rettung des Homo-Stiers. Man brauchte Geld, um das Tier zu kaufen. Als der inzwischen verstorbene Sam Simon, Ko-Erfinder der gelbköpfigen US-Familie „The Simpsons“, 6.250 Euro spendierte, war Benjy gerettet.

Er wurde nach Frettenham in der englischen Grafschaft Norfolk ins Hillside-Tierasyl gebracht. Gut, dass er es noch vor dem britischen Referendum über die EU-Mitgliedschaft geschafft hat, denn danach wäre er wohl zum unerwünschten Migranten erklärt worden.

In Hillside könne er nun sein neues Leben mit einem anderen Stier teilen, meinte Carmody. Doch was haben diese angeblichen Tier- und Schwulenfreunde als Erstes gemacht? Sie haben Benjy kastrieren lassen. „Wir waren für eine Kastration, damit es zu keiner ungeplanten Schwangerschaft kommt“, sagte Carmody. Der Mann braucht Nachhilfe in Biologie: Stiere werden nach Sex mit einem anderen Stier nicht schwanger.

Patsy meinte, ein feiger Stier, der sich vor einem kleinen Hund fürchte, sei ihm lieber als ein mutiger schwuler Stier.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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