Die Wahrheit: Mein Horoskop hat immer Recht

Wer abergläubisch ist, hat mehr vom Leben. Jedenfalls, wenn schlechte Vorhersagen und Warnhinweise konsequent ignoriert werden.

Ich tue zwar immer und überall so, als führte ich ein voll rationales Atheistenleben, aber in Wahrheit bin ich vor allem eins: abergläubisch. Na gut, die schwarze Katze kann mich mal, ich habe lange mit einer zusammengelebt, und wenn das Pech gewesen sein soll, was in jenen Jahren so war, dann möchte ich Glück nicht erleben – es würde mich wahrscheinlich sofort umbringen, weil es meine Glücksrezeptoren explodieren lassen würde. Statt meiner schönen blauen Augen würden kleine „Tilt“-Schildchen unter meinen Lidern aufblitzen, Limonade würde aus den Ohren spritzen, und danach kommt ja, wie jedes Kind aus Hollywood-Filmen weiß, gleich der Herzinfarkt.

Also für mich bitte keine Tiersymbolik, keine zerschlagenen Spiegel, keine Leitern über dem Gehweg. Ich schätze in Sachen Vorhersage das Wochenhoroskop der Lokalzeitung mit seinen lebensnahen Weisheiten: „Verdiente Aufmerksamkeit wird Ihnen zuteil.“ Endlich! Gut für den Redaktionsastrologen, dass ich zwischen Montag und Freitag vergessen habe, mal zu überprüfen, was er mir am Sonnabend prophezeit hat. Ich glaube sowieso nur das Gute.

Schlechte Vorhersagen und Warnhinweise (“Die Konkurrenz schläft nicht!“) ignoriere ich seit einiger Zeit genauso wie Beipackzettel von Medikamenten. Von beidem kriegt man schlechte Laune. Als ich neulich versuchte, bei so einem Runterzieher (“Sie können nicht immer Erfolg haben!“) mal für sieben Tage unauffällig das Sternzeichen zu wechseln – Abergläubische können das, sie biegen sich schließlich jeden Tag die Realität neu zurecht, und gefühlt bin ich sowieso Wassermann –, fiel mir auf, dass das Zeitungshoroskop leider für alle Sternzeichen gleichermaßen mittelmäßig bis schlecht ausfiel.

Bis dahin hatte ich geglaubt, die Gesellschaft wäre ein Nullsummenspiel – wenn es mir dreckig geht (Löwe bzw. Beipackzettel), profitiert irgendjemand anders davon (Skorpion bzw. Arzt bzw. Apotheker). Die Zeitungs-Recherche der folgenden Monate ergab aber, dass wir alle gemeinsamen Zyklen unterliegen, die jeweils eine Woche lang dauern – Arzt, Apotheker, Skorpion und ich.

Wahrscheinlich sitzt irgendwo ein Schicksalsdesigner, gleich neben den Wettermännern, und kippt an jedem Wochenende einen großen Topf Glück oder Unglück über die Republik aus, der sich in den folgenden Tagen annähernd gleichmäßig verteilt. Jede Abweichung davon ist übrigens weder Zufall noch Vorsehung, sondern ein Fehler in der Matrix.

Der Vorteil beim Glauben ist Entlastung. Das macht das Atheistenleben mühsam, das der Gläubischen dagegen simpel: Man kann eh nichts tun, außer den Kaffeesatz nach der Zukunft befragen. Seit ich das Zeitungshoroskop als Schwindel entlarvt habe, orientiere ich mich zur Lebensvereinfachung lieber an chinesischen Glückskeksen. Geballte Weisheit des Ostens an Bratnudeln mit Tofu: „Wer meint, etwas tun zu können, oder meint, etwas nicht tun zu können, hat recht.“ Aha. Meine schwarze Katze hätte es nicht treffender ausdrücken können.

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kari

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