Die Wahrheit: Er hat, sie hat, Dschihad!

Eine Hamburger Werbeagentur entwickelt eine große Imagekampagne für das in Deutschland gerade nicht gut angesehene Saudi-Arabien.

Foto: Stephan Rürup

In einem Besprechungsraum der Werbeagentur Young & Dull rauchen die Köpfe. Vor wenigen Stunden hat ein Sprecher des saudischen Königshauses angerufen und ein Angebot gemacht, das die Agentur nicht ablehnen kann. Es winken Millio­nen von Petro-Euro. Der Sprecher hat eine jahrelange Mega-Kampagne in Aussicht gestellt. Ihr Ziel: das in den letzten Monaten stark beschädigte Image von Saudi-Arabien in Deutschland massiv zu verbessern.

Henning von Henckel (46) beendet seine Ansprache als Teamleiter der gerade gegründeten „Taskforce S-A“ mit den Worten: „Got me?“ Die anderen drei Anwesenden nicken. „Also: Was spricht für unsere Marke. Wo liegt ihr Unique Selling Point?“ Schweigen. Das nervöse Klicken eines Kugelschreibers lässt die Stille noch stiller erscheinen. Schließlich räuspert sich Vanessa Hartheim (33), die Senior-Creative-Direktorin: „Da unten die People sehen so gut aus. Junges Fleisch, guter Teint, gute Zähne, kaum Probleme.“

Die Sexiness der Saudis

Hartheim sieht in die Runde. Keiner reagiert. „Sie arbeiten wenig, shoppen viel. Ich finde, das hat Sexiness.“ Textchef Gaspar Noel-Niehus (31) nuschelt aus seinem schwarzen Rollkragenpullover: „Ein echtes Alleinstellungsmerkmal? Die Saudis unterstützen doch die wahhabitische Mission weltweit stärker als jedes andere Land.“

Von Henckel leckt sich mit halboffenem Mund die Unterlippe, ein Zeichen, dass er intensiv nachdenkt. Dann bricht es auch ihm heraus: „,The peaceful face of Salafism‘ – bäng!“ – „Nee“, erwidert Hartheim genervt. Wie so oft wurde ihr Vorschlag unkommentiert übergangen. „Bloß nichts mit Religion. Das geht gerade gar nicht.“

Dirk Winger (26), genannt „High-Five-Winger“, unterdrückt einen Kombucha-Schorle-Rülpser. Dann sagt er feixend: „Wir könnten eine Anzeige in der FAZ schalten. Diesmal mit noch mehr Grammatikfehlern. Das ist sympathisch. Die Deutschen mögen’s doch, wenn bei Ausländern nicht alles so perfekt ist. Das ist der Rudi-Carrell-Effekt!“

„Jetzt mal Konzentration, Mädels.“ Von Henckel funkelt manisch in die Runde. „Wer ist denn überhaupt unsere Zielgruppe?“, fragt Hartheim professionell. „Ganz Deutschland.“ Von Henckel macht eine fahrige Handbewegung. „Alle zehn verfickten Sinus-Kartoffeln.“ Winger wagt sich wieder vor: „,Nichts außer Öl. Nothing but the Oil‘! Das ist kernig und exklusiv. Das Gegenstück zum mega-erfolgreichen ‚Alles außer Hochdeutsch‘.“ Von Henckel leckt wieder seine Lippe.

„Versteht ihr?“, schiebt Winger etwas unsicher nach. „Alles außer Hochdeutsch. Nichts außer Öl.“ Hartheim schüttelt den Kopf: „Ich finde, wir sollten nichts erwähnen, was man generell mit Saudi-Arabien verbindet. Kein Öl, keine vollverschleierten Frauen, keinen Salafismus. Was wissen wir noch über die Marke?“ Winger wackelt mit dem Kopf. „Wüste“, sagt er dann. „Und Öl. Ach nee, das hatten wir schon.“

Hartheim schaut auf ihr iPad. Sie hat den entsprechenden Eintrag bei Wikipedia aufgerufen und liest vor: „Wusstet ihr das? Fast die Hälfte aller Ehen wird nach drei Jahren geschieden. Der Lieblingssport der Saudis ist Fußball, noch vor Pferde- und Kamelrennen und …“ Von Henckel gähnt animalisch dazwischen. „Stop it! Wir müssen das Kamel von hinten aufzäumen. Der Sprecher hat mir gesagt, man will topmodernes Business machen, ohne die radikalen Geistlichen abzufucken. Die tanzen dem Königshaus seit der Eroberung der Groß-Moschee …“ – „Groß-Muschi?“, ruft Winger fröhlich. „1001 nackt! Hihi!“ – „… auf der Nase herum“, beendet von Henckel nachdrücklich den Satz: „Also: eine Pressekampagne gegen Fracking – zack! Eine Pro-Kampagne für die total gemäßigten Rebellen in Syrien und die … äh, Befreier im Jemen – bum! Und dann noch ein Artikel, der belegt, dass die Drahtzieher des Charlie-Hebdo-Attentates nix mit den Saudis zu tun haben – wham! That‘s it! Capisce?“

„Hä?“, versteht Winger nur Bahnhof. „Die Kampagnen laufen in den Medien doch alle längst“, sagt Noel-Niehus kühl. „Jajaja, dann halt so“, bellt von Henckel gereizt: „,Saudia Arabia – the inventors of hippness‘.“ Es wird wieder still im Raum. Von Henckel nimmt das als Zeichen, dass er einen Volltreffer gelandet hat: „Got me? Wer steife Bärte trägt, Falken dressiert, Hummus mümmelt, Tradition und Moderne verbindet und sich auch noch eiskalt Geschirrspültücher um den Kopf bindet, der hat doch in Sachen Hipness die markante Nase ganz weit vorn.“ Alle nicken.

Feurige Frauenaugen

„Ich sehe eine Plakatreihe mit einem coolen Turnschuh-Scheich vor Glitzertürmen“, fabuliert Winger. „Und dazu ein Paar feurige Frauenaugen und der Kracher-Claim: ‚Catch the summer – Gaudi Arabia‘.“ Noel-Niehus schüttelt den Kopf: „Wir brauchen keine TUI-Reklame aus den Achtzigern, sondern was wirklich Hippes. Mit einer starken Botschaft, die sich festsetzt.“

„Der Scheich könnte eine Kombucha-Schorle trinken“, schmollt Winger, „oder selbstgeschroteten Kaffee.“ – „Und wie bitte erkennt man, dass der Kaffee selbstgeschrotet ist?“ – „Na, dann eben die Schorle.“ – „Was ist denn gerade so richtig hip?“, fragt Hartheim. „Netflix“, ruft Winger. „Gar nicht“, meint Noel-Niehus, „Amazon prime!“ – „Nude-Girl-Volleyball“, ruft von Henckel. „Jaaa“, winkt Hartheim sarkastisch ab. „Nude-Girl-Volleyball in Saudi Arabien.“ – „Ganz genau!“, erhitzt sich von Henckel. „Dann haben wir alle im Boot: Liberale, Sexisten, Rassisten …“

„Und als Slogan vielleicht was gegen den Strich“, freut sich Winger: „Wie wäre denn: ‚Judenhass mit Augenmaß‘?“ – „Nichts mit Juden“, sagt Noel-Niehus. „Da sind die Deutschen bei anderen kritisch.“ – „Aber doch nicht bei Saudi-Arabien!“, sagt von Henckel beinahe empört.

„Nein“, beharrt der Textchef. „Besser was Geradliniges: ‚Saudi-Arabien – alles, was Sie am Islam lieben‘.“ „Oder einfach ‚Frauenpower!‘“, sagt Hartheim weiterhin gereizt. „Jajaja“, denkt von Henckel laut. „Wir sind auf der Spur. Jetzt noch nachlegen. Was geht noch voll ab?“ – „‘Game of Thrones‘“, weiß Winger.

„Bulls-Eye!!!“, schreit von Henckel. „Wir arbeiten mit positiver Aneignung: Frauen verpacken, Stockhiebe, Handabhacken, Köpfen – ‚Kunden, die Game of Thrones mochten, werden Saudi-Arabien lieben‘. Nee, zu hölzern und altbacken, eher so: ‚Feel the difference!‘ Und dazu ein Auspeitschbild, haha. ‚Come to where the torture is‘. Oder halt, ich hab’s: „‘Vintage as hell: Al Saud‘. Got me? Ich glaube ja, die sind der Zeit da einfach nur voraus. Oder der hier: ‚Saudia Arabia – the true islamic state‘. Kommt schon! Einfach mal in die Vollen gehen, das Negative als Gaspedal benutzen! Jetzt hab ich‘s: ‚Er hat, sie hat, Dschihad!‚‘‘

Ein Claim für alle

Von Henckel scheint sich in einen seiner berüchtigten Brainstorm-Laberflashs hineinzusteigern. „Moment!“, schnarrt Hartheim so laut, dass von Henckel innehält. „Ich hab den Markenkern, den Claim, der bei allen Deutschen zieht. Vom Naidoo-Fan über den AfD-Klatscher und Lafo-Linken bis hin zum Relativismus-Hipster und dauergenervten Mummelgreis.“ – „Ja?“ Von Henckel züngelt erregt. „‘Saudi-Arabien – alles andere ist Mainstream‘!“ – „Sag ich doch“, meint von Henckel. „Sag ich doch!“

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