Die Wahrheit: Englisch, Denglisch, unumgänglich

Bei der korrekten Verwendung englischer Ausdrücke im Deutschen ist vielfältiges Hintergrundwissen gefragt.

Manche wesentlichen Neuheiten erfahre ich als Letzter. Sobald es keine mehr sind. Diese Neuigkeit war mir bislang nicht bündig erklärt worden, hatte mich wohl nicht interessiert. Erst vor etwa einem Jahr habe ich den Unterschied begriffen. Hatte ich die Definition einem meiner Söhne zu verdanken? Oder dem Bekannten, der unter anderem „Ideen für modernes Einrichten und Wohnen im Vintage Style“ verkauft?

Jedenfalls hat es sich bis zu mir herumgesprochen: Auch im Deutschen ist zwischen Vintage und Retro strikt zu unterscheiden. Vintage-Objekte sind unbedingt echt, stammen original aus der Vergangenheit, sind kein Imitat: Was die Deutschen Oldtimer nennen, heißt im Englischen Vintage car, insbesondere eines aus den 1920er Jahren. Retro dagegen – schon überflüssig zu erwähnen – ahmt das Original nach, spielt darauf an, ist letztlich uncool. Bei meinen Jeans etwa handelt es sich eindeutig um geflicktes Vintage, Ehrensache; die Risse in der Jeans meiner Nachbarin sind eindeutig retro. Seit ich es weiß, bin ich wie befreit: Ich kann das olle Zeug tragen, und niemand schert sich darum.

Bis dahin war mir der Ausdruck Vintage vertraut in meiner Eigenschaft als Trinker. Das Englische bezeichnete damit die Weinlese, späterhin auch einen qualitätsvollen Jahrgang. Eine zusätzliche Bedeutung schob das Wort ins Allgemeine, markiert nun Dinge, die alt, hervorragend, selten sind. Der Ausdruck war mir seinerzeit obendrein vertraut in meiner Eigenschaft als Kunstbuchhändler: Die ersten Negative, die ein Fotograf abzieht, heißen bekanntlich Vintage Prints.

Ein anderer englischer Ausdruck schlich kürzlich herbei, als ich einen, nun ja, Fragebogen bei Icon las, offenbar ein Internetmagazin der Zeitung Die Welt für sehr junge Frauen. Die 18. von 33 Fragen, deren Auflösung „Frauen so gerne von Männern wissen würden“, lautete: „Hättet ihr am liebsten eine unkomplizierte ‚Friends with Benefits‘-Beziehung statt des ganzen Freund-Freundin-Programms?“

Hm. Der Begriff wird nicht erklärt, klar. Die Klientel ist bestens informiert. Ein Leser, der eine Jeans seit dreißig Jahren besitzt und sie manchmal vintagemäßig trägt, ist nicht gemeint. Sondern meine Nachbarin.

Kindliche Neugier wird befriedigt mit zwei, drei Klicks. Eine Site namens gofeminin – ebenfalls zur Axel-Springer-Gruppe gehörig – verrät: „Eine Bettgeschichte oder simple Affäre war gestern. Das neue ­Tête-à-tête heißt ‚Friends with Benefits‘, übersetzt ‚Freunde mit Vorzügen‘.“ Es zu übersetzen vermochte ich auch. Bevor ich nun das von gestern und das neue Ding zu unterscheiden lernen wollte, schickte mir eine andere Site einen Stopp entgegen: Der Ausdruck sei „eine Erfindung der Frauenpresse“, denn „vor allem Großstädterinnen finden dieses Modell schick“.

Dem wiederum stellte sich das englische Wikipedia entgegen, das mich mittels Zitaten aus sexualwissenschaftlichen Artikeln über die Casual sexual relationships aufklärte. Aber genug der Theorie, sie führt ins Ufer­lose. Praxis gewinnt!

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kari

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