Die Wahrheit: Ruck im Nacken

Wie der Vatikan jetzt enthüllte, korrigierte Gott am 31. Oktober 1992 mit einen kleinen Knuff einen historischen Fehler der römischen Kurie.

Gott legte den Finger an den blauen Planeten und korrigierte den Irrtum in Sekundenschnelle. Foto: reuters

Seit dem 31. Oktober 1992 rätseln Medizin und Wissenschaft gleichermaßen über ein geheimnisvolles Phänomen, das im Laufe der Jahre zwar durch allerlei wissenschaftliche Neuentdeckungen immer mehr an Aktualität, jedoch nie an Brisanz verlor.

Nahezu punktgenau seit 22,5 Jahren klagen Menschen durch sämtliche Gesellschaftsschichten und Ethnien kollektiv über unerklärliche Schwindelgefühle, die bei allen Leidtragenden weltweit und zeitgleich an besagtem 31. Oktober 1992 mit einem leichten, aber doch deutlich spürbaren, plötzlich auftretenden Ruck im Nacken begannen.

Über nunmehr zwei Dekaden zerbrechen sich Fachleute wie Laien den Kopf über den geheimnisvollen Massenauslöser. Man stellte absonderliche Theorien über neurologische Zusammenhänge zwischen Wirbelsäule, Großhirnrinde und limbischem System her oder versuchte den globalen Schwindel mit allerlei haarsträubenden Ideen zu erklären, die von einer intuitiven Universalvernetzung bis hin zu seltenen Sternenkonstellationen reichten. Doch nichts davon wurde der Fragestellung gerecht.

Kollektive Schwindelgefühle

Passend dann zum vor einiger Zeit absolvierten 850. Geburtstag des vormaligen Papstes Benedikt XVI. war es einmal mehr der über viele Jahrhunderte als Branchenführer in Sachen Schwindel etablierte klerikale Dachverband des Vatikans, der die Lösung dieses für die Kirche ungewohnt greifbaren Schwindelgefühls offenbarte. Mal wieder war es dem berufsbedingten gnadenvollen Tun eines allmächtigen Gottes zu verdanken, dass die Menschheit der Hintergründe des globalen Rucks gewahr wurde. Und die Lösung des Schwindelphänomens war dann auch den geistigen Kapazitäten jenes wachkomatösen Zwerggottesstaates gemäß so denk- wie dankbar einleuchtend, dass sich selbst bei den kleinmütigsten Kräften ein nahezu logischer Ach-so-Effekt einstellte.

Wie allgemein bekannt, rehabilitierte der Vatikan an jenem 31. Oktober 1992 den wissenschaftlichen Tausendsassa Galileo Galilei. Die Römer gaben damit - ausnahmsweise nicht spinnend - zu, die Erde sei wohl, wie bis 1992 offensichtlich von ihnen gemutmaßt, nun doch nicht der fixe Mittelpunkt des Universums, um den sich alles drehe, sondern wackele ganz offensichtlich - gleich Galileis angeblicher Trotzbemerkung „Und sie bewegt sich doch“ - tatsächlich blitzsauber um die Sonne.

Rehabilitation des Ketzers

„Gott persönlich“, so die klerikale Begründung des zuständigen Kurienkardinals, „hat das damalige Fehlurteil noch am Abend des 31. Oktober 1992, direkt im Anschluss an die ,Tagesschau‘ und die dort verkündete Rehabilitation des nun Exketzers Galilei, eigenhändig korrigiert und mit dessen vollständiger Rehabilitation einhergehend erstmals die Erde in die entsprechende Bewegung gesetzt, damit man dem Mann auch in Zukunft nichts mehr vorwerfen könne.“

Der anno 1992 einsetzende globale Schwindel und damit gleichsam auch der geheimnisvolle, seinerzeit auf der ganzen Welt zu spürende Nackenruck geht also auf die am 31. Oktober von Gott initiierte und angeschobene, erstmals vor zwanzig Jahren einsetzende Erdbewegung zurück und ist nichts weiter als der damalige Anfahrtsruck unseres Planeten.

Die Kirche sieht im göttlichen Nachbessern keinen Widerspruch zur vermeintlichen Unfehlbarkeit des Herrn. Doch wer seit Jahrhunderten mit Schwert und Scheiterhaufen auf dem kleinen Dienstweg Nächstenliebe und Barmherzigkeit predigt, ist sicherlich auch gut beraten, an die astronomische Gesamtbefugnis der betreffenden Instanz, in deren Namen da gemetzelt wird, zu glauben. Auch wenn die Sache jetzt geklärt scheint … ein gewisses Schwindelgefühl bleibt.

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kari

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