Die Wahrheit: Der Total-Top-Manager

Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Diesmal Hartmut „Hacki“ Mehdorn.

Ein Gesicht wie eine Baugrube: Flughafenchef Hartmut Mehdorn. Bild: reuters

Wartehallen ohne Bänke, Wände, Decke und Boden; Abfertigungsschalter, vor denen die Kunden von Falltüren verschluckt werden; Sicherheitsschleusen, in denen die Fluggäste, statt mit Metalldetektoren abgetastet, mit Elektrozangen betäubt werden; Rolltreppen, die in Bolzenschussanlagen enden: Angesichts dieser Zustände ist es fast zu begrüßen, dass auch die Straßenanbindung des Berliner Großflughafens bislang nur ansatzweise gelungen ist und man den Airport im gegenwärtig tobenden Winter nur mit dem Hundeschlitten erreichen kann.

Wer aber in seinem kleinen Kopf dachte, dass die Zustände sich nicht noch schlimmer ausbeulen könnten, wurde letzte Woche eines anderen belehrt, als Hartmut Mehdorn als neuer Vorstandsvorstand und Nachfolger des ausgeleierten Rainer Schwarz präsentiert wurde. Die deutschlandweit versammelte Presse rieb sich die Kameras wund und staunte sich die Augen weg, als ein Schwefelgeruch den Raum aufblies, der Ex-Deutsche-Bahn-Chef sich materialisierte und mit grinsenden Backen auf dem Podium niederließ, wo Aufsichtsratschef Matthias Platzeck mit seinem Blut den Vertrag abnickte.

Wer sich erinnern konnte, erinnerte sich in diesem Augenblick nur zu gut, wie Hartmut Mehdorn die blühende Deutsche Bahn zuschanden ritt. Dass er Hunderttausende Angestellte stilllegte, ungezählte Kleinstadtbahnhöfe in den ewigen Schlaf schickte, ganze Fahrpläne kahlrasierte und im Nahverkehr auf kostensparende Bummelzüge ohne Triebwerke, Reisewagen und Räder setzte. Dass er jenen Riesenbahnhof Stuttgart 21 erfand, welcher der Stadt wie ein nasser Sack die Luft abdrückt. Und dass er erst von der Bahn abließ, als man ihm 5 Millionen Euro in den dicken Koffer schob!

Der anschließend seine eingeborene Linie fortsetzte, ohne eine Träne zu verschütten, und die Fluggesellschaft Air Berlin in brandrote Zahlen wickelte. Der lange vorher schon die brave Heidelberger Druckmaschinen AG derart widernatürlich aufgebläht hatte, dass sie vor Schulden zu platzen drohte! Und noch ein paar Schritte davor bei den Bremer Vereinigten Flugtechnischen Werken an der Erfindung eines deutschsprachigen Zivilflugzeugs namens VFW 614 herumbohrte, so dass das Projekt schließlich und endlich fehlschlug, scheiterte und in die Hose abmarschierte!

Unbeschadet der Ruinen, die sein teuflisches Wirken auf Erden hinterlässt, pflegt Mehdorn vor Selbstbewusstsein überzulaufen: Ähnlich gebaut wie sein Freund und Kumpan Gerhard Schröder, ist er stolzer Eigentümer des Bundesverdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens mit Eichenlaub und Erdbeergeschmack, Ehrendoktor in Gold der Moskauer Akademie für Druckereiwesen in Silber, Kommandeur en chef der Ehrenlegion de salade und selbstgemachter Autor des von ihm mit dem eigenen Kopf niedergelegten Buches „Total Quality Management“.

Was verschlägt’s, dass alles in der Bredouille landet, seit der Berliner Mehdorn 1942 aus dem Ei schlüpfte! Die ganze Stadt wird damals bis aufs Hemd von den alliierten Bombern zerfleischt – den Einwohnern aber bleibt das Lachen im Halse stecken, denn die Mehdorns samt Klein Hartmut sind längst mit ganzer Haut ins bayerische Kipfenberg verzogen. Die weiteren Fakten stehen wie eine Eins und brauchen nicht erwähnt zu werden: Die Volksschule in Karlsruhe, wo er 1947 als Abc-Schütze ansetzt, brennt ab.

Das Gymnasium in Berlin-Charlottenburg, wo er sich 1953 höher schraubt, explodiert, als Hartmut gerade in Chemie auf Herz und Hirn geprüft wird. Die Ingenieurschule Beuth, wo er 1960 Mehdornwissenschaften studiert (Abteilung Leichtbau und Turbinentechnik im Hartmutverfahren), wird von einem Wirbelsturm niedergemäht, just als Mehdorn, die Spatzen pfeifen es Ihnen schnurgerade von den Dächern: an seinem leichtgebauten Diplom über das Drehmoment von Turbinen bastelt.

Was Mehdorn im knappen Alltag anstellt, wenn er ihm außerhalb seines Berufslebens Raum schenkt, gräbt ebenfalls tiefe Narben in die deutsche Nachkriegsgeschichte. 1963 leistet er sich auf Ratenzahlung als erstes Auto einen Borgward – die Firma versinkt im Konkurs. 1975 least er sich eine Hose bei Neckermann – die Kaufhauskette sackt in die Pleite. Nota bene: Schon als Kind organisiert er die Schulmilch und treibt die zehn Pfennig von jedem Mitschüler ein – am Ende des Schuljahres hocken alle Familien in der Privatinsolvenz.

Ist es da als alberner Zufall zu beziffern, wenn während seines Urlaubs auf Teneriffa 1977 ein lebendes Flugzeug der KLM mit einer gut gefüllten Maschine der PanAm kollidiert? Ist es nur eine lächerliche Koinzidenz, wenn im Verlauf seines USA-Trips 1980 der Mount Helen hochgeht? Nur ein lachhaftes Zusammentreffen, wenn im Zuge seines Japanbesuchs 2011 die Atomreaktoren in Fukushima mit großem Hallo auseinanderreißen?

Für Sommer 2013 plant Mehdorn Ferien in der Schweiz, wo man am Cern derzeit an Schwarzen Löchern lustig herumhantiert. Egal: Für den Berliner Total Quality Airport kann das nur gut sein!

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