Die Wahrheit: Genau wie Madonna

Pegida erfindet sich neu. Das fängt bei der Mülltrennung an und hört bei Straffreiheit für Falschparker noch lange nicht auf.

Showeinlage in Retro-Uniform: So könnte Pegida noch manche Volkskörperteile erreichen Bild: reuters

Die bundesweiten Proteste gegen die ultrarechte Protestbewegung Pegida zeigen verblüffende Wirkung. Nachdem die Zahl der Gegendemonstranten letzten Montag in praktisch allen Städten außerhalb Dresdens die Zahl der islam- und asylkritischen Demonstranten um ein Vielfaches überstieg, hat Pegida-Chef Lutz Bachmann einen radikalen Kurswechsel der Bewegung angekündigt, selbst wenn man dafür „massenhaften Asylbetrug und die endgültige Salafisierung unserer Kultur“ in Kauf nehmen müsse.

„Wenn uns die übergroße Mehrheit unserer deutschen Volksgenossen hasst, können wir als deutscheste aller Deutschen so natürlich nicht weitermachen – auch wenn es engagierten Islamkritikern wie Beate Zschäpe nicht schmeckt“, schrieb Bachmann jetzt in einem gemeinsam mit Schatzmeisterin Kathrin Oertel verfassten Facebook-Post. „Und wenn ein Typ wie Wolfgang Kubicki von der FDP Verständnis für unsere Sorgen hat, ist das der beste Beweis dafür, dass wir etwas falsch gemacht haben.“

Wie die beiden Pegida-Vorstände in ihrem Schreiben betonen, sei der unerwartete Schritt allerdings nicht als bedingungslose Kapitulation vor dem Mainstream zu verstehen: „Die Marke Pegida ist bundesweit eingeführt und genießt trotz des Rückschlags von Montag immer noch überwältigende Sympathiewerte in der Bevölkerung. Nach den Massakern von Paris dürfte vor allem die gewaltbereite Dunkelziffer höher sein als je zuvor!“ Jetzt gelte es, „diese starke Marke mit überraschenden neuen Inhalten zu füllen – zumindest außerhalb von Dresden, unserem geliebten Nazinest“.

Inhaltlich sei noch alles völlig offen, man erwarte eine rege Diskussion innerhalb der erstaunten Gefolgschaft, schreiben Bachmann und Oertel. Methodisch wolle man sich beim geplanten Schwenk an der US-amerikanische Popsängerin Madonna orientieren. „In den mehr als dreißig Jahren ihrer Karriere hat es Frau Ciccone immer wieder geschafft, sich selbst neuzuerfinden“, mahnen die beiden Galionsfiguren. „Ob als Popsternchen oder als Vamp, als Clubtussi, volkstümliche Schlagersängerin oder Sadomaso-Lady, als treusorgende Mutter oder hässliche alte Vettel – immer gelang es Madonna, ein neues Millionenpublikum auf ihre Seite zu ziehen. Genauso sollten wir es in diesem historischen Moment auch halten: mit Euphorie, treibenden Beats und jeder Menge gute Ideen!“

Schuldenschnitt für alle Pegida-Demonstranten

Bei allem Glamour bleibe es natürlich weiterhin wichtigstes Ziel von Pegida, die Unzufriedenheit der schweigenden Volkskörperteile zu kanalisieren und unterdrückte Wahrheiten ans Licht zu zerren: „Wir könnten zum Beispiel die Mülltrennung bekämpfen. Da fühlen sich doch die meisten Deutschen verarscht, wenn sie hören, dass hinterher sowieso wieder alles zusammengekippt und verbrannt wird! Während im Ausland und in den Asylantenheimen von vornherein alles ungetrennt aus dem Fenster fliegt!“

Erfolgsversprechend sei auch, sich im Einklang mit dem Volkswillen „gegen den staatlich subventionierten Theater- und Opernschwachsinn“ auszusprechen, „welcher ohnehin nur begüterten Gutmenschen zugute kommt“. Einen ähnlichen Hit würde man landen, wenn man Straffreiheit für Falschparker anmahne oder Homöopathie als verpflichtendes Schulfach fordere. Anschließend könne man sich in einer überraschenden Volte gegen die sexuelle Selbstbestimmung des Mannes wenden und auf seine Vollverschleierung in der Öffentlichkeit pochen. In der Woche darauf könne man dann einen Schuldenschnitt für alle Pegida-Demonstranten sowie die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1940 verlangen.

„Wir haben in den letzten Tagen so viele offene und verdeckte Gesprächsangebote bekommen“, sprechen die beiden Vordenker der Bewegung Mut zu, „vor allem aus der konservativen Parteienlandschaft – darauf müssen wir reagieren, wenn wir unseren Einfluss nicht verspielen wollen.“

Das Beste wäre deshalb, regen die zwei am Ende ihrer Positionsneubestimmung an, wenn man den Imagewechsel irgendwann bis zum Äußersten treiben und sich eines Tages an die Spitze der Anti-Pegida-Demonstrationen setzen könnte: „Wir wissen zwar nicht, ob alle unsere Anhänger und Sympathisanten schon so weit sind. Einen Versuch wäre es aber wert – auch als tiefe Verneigung vor Madonna.“

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.