Die Wahrheit: Hier boxt der Papst im Altersheim

Probleme mit Gewalt zu lösen, wie es der Pontifex maximus brutalix gern hätte, sollte man lieber den Protagonisten von Fernsehserien überlassen.

In dieser Kolumne boxt heute der Papst im Kettenhemd. Wozu er ja auch alle katholischen Eltern ermuntert – oder jedenfalls rät er nicht direkt davon ab, seine Kinder zu züchtigen, in würdevoller Weise selbstverständlich, womit das Kettenhemd wahrscheinlich ausfällt. Vielleicht sollte man eine Kerze anzünden beim Kloppen? Oder gregorianische Gesänge anstimmen, während der Rohrstock im Takt sein pädagogisch wertvolles Werk verrichtet?

Wir Ungläubigen müssen unsere Kinder auch weiterhin nicht prügeln. Gott sei dank – falls der Kalauer erlaubt ist. Ich war ohnehin immer viel zu faul dazu, und außerdem ist mein Sohn inzwischen größer als ich und könnte bei Erziehungsversuchen meinerseits spontan die Ansicht vertreten, dass ein paar wohldosierte Watschen noch keiner durchgeknallten Mutter geschadet haben.

Probleme mit Gewalt zu lösen, überlasse ich also lieber Protagonisten amerikanischer Fernsehserien. Ihre Stellvertreterfunktion hat seelenreinigende Wirkung. Ich mag es, wenn Jack Bauer am Ende einer Folge der beliebten Folterserie „24“ blutüberströmt über den Boden kriecht und seinen noch schwerer verletzten Kumpel anröchelt: „Alles in Ordnung?“

Bei mir ja, denke ich dann. Jack Bauer ist selbstverständlich schwer von gestern, aber meine Familie frisst sich einfach zu langsam durch die inzwischen unzähligen Staffeln. Kiefer Sutherland hat den Blitzkrieg gegen mich schon lange gewonnen, er kann schneller Filme drehen, als ich sie weggucke. Hoffentlich bin ich bis zum Altersheim mit „24“ mal durch, aber dann habe ich bestimmt alles vergessen und muss wieder von vorn beginnen.

Heimlich will ich es natürlich gar nicht anders. Denn in meinem Dorf versteht man unter Altenbespaßung nämlich leider nicht das beruhigende gemeinsame Anglotzen von blutspritzender Leinwand-Action, sondern Spielenachmittage mit Canasta und Rommé bei koffeinfreiem Kaffee. Diese Kartenspiele beherrsche ich nicht, und meine präsenile Sturheit, die praktisch schon mit dem 17. Geburtstag eingesetzt hat, hindert mich daran, sie noch zu lernen. Außerdem weiß ich jetzt schon, wer da später mal schummeln wird, gell, Anita?

Zwischendurch kommen die Kindergartenkinder zum Seniorennachmittag und singen etwas, jedenfalls an Weihnachten. Zu anderen Jahreszeiten gibt es das Erzählcafé, wo aber leider nicht Jack Bauer den Gaststar gibt, sondern Anitas halbtaube Tante, die behauptet, dass es früher keine Autos gab und keine Ausländer. Die unterhalten sich immer so laut, beschwert sie sich, dabei kann sie doch eigentlich froh darüber sein, denn sonst würde sie gar nichts mehr mitkriegen. Alles in Ordnung, Anitas Tante?

Also: Ich möchte im Altersheim mit meinem privaten DVD-Player – oder Virtual-Reality-Generator oder was man dann so hat – in die canastafreie Zone einziehen und dann jede Menge Spaß haben. Notfalls prügel ich mir den Weg dahin frei. Ein Klaps auf den Papst hat noch niemandem geschadet. Amen.

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kari

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