Die Wahrheit: Harry und seine Hochzeitskutsche

Neues aus Neuseeland: Sonst sind meist nur Rock-Reptile in Aotearoa unterwegs. Doch jetzt mischt ein junger britischer Prinz Down under auf.

Am Samstag flog er ab, im strömenden Regen. So charming: „Thanks for having me! Sorry about the weather“, schrieb der Märchenprinz zum Abschied an eine Pinnwand in Christchurch. Und es war Ausnahmezustand in Aotearoa: Harry was here, und die Untertanen standen Spalier. Winkten eine Woche lang mit Union-Jack-Fähnchen, trugen lustige Hüte, hielten ihm Hände zum Schütteln und Babys für Fotos hin.

Ein Teenager in der Menge lud ihn sogar beherzt zu ihrem Highschool-Abschiedsball ein – fragen kostet ja nix. Die einzig echte Umarmung in all dem royalen PR-Taumel bekam jedoch Prinz Harrys ehemalige Schulaufseherin, die zur Begrüßung in der ersten Reihe stand. Seit 18 Jahren endlich ein Wiedersehen: „Er war mein Lieblingsschüler!“

Neuseeland ist für Rock-Reptile und andere Promis auf Tour sonst letzte Bushaltestelle auf diesem Planeten. Jetzt fühlte es sich an wie in den Flitterwochen. Der Windsor-Spross wirbelte durchs Land, als sei er frisch der Fernsehshow „The Bachelor“ entsprungen. Im Gegensatz zu seinem sittsamen Bruder – zweifacher Vater und bereits halb kahl – versprüht der Rotschopf für Buckingham’sche Verhältnisse echten Sex-Appeal. Das heißt, wenn man Yorkshire-Pudding mit Erbsen liebt, „Downtown Abbey“ guckt, auf Eton-Akzent und Hakenkreuzbinden als Party-Gag steht.

Harry ließ sich nicht lumpen und machte alles, was gute Kiwis vom fünftplatzierten Thronfolger ihrer Queen erwarten: Er machte vor Soldaten den Haka mit, kickte mit Schülern Fußball, ging zum Rugby-Turnier und paddelte im Maori-Kanu. Natürlich besuchte er das erdbebenzerstörte Christchurch und fuhr dort sogar mit der Straßenbahn. Er zeigte deutlich bessere Manieren als unser Premierminister, der ihn begleitete, und zog keinem der aufgeregten Mädchen um ihn herum am Pferdeschwanz. Ein Herzensbrecher!

Leider gingen so viele von seinen Bewunderinnen leer aus: Kein Selfie mit Harry, kein Augenblick am Straßenrand, der das Leben verändern könnte. Da bleibt all den Groupies nur der Refrain aus Lordes größtem Hit: „We’ll never be royals“.

Dabei stehen die Chancen gar nicht so schlecht, einen britischen Blaublütigen aus der ersten Liga zu ergattern: Rein statistisch haben mehr Bürgerliche als Königliche eine angelsächsische Hoheit geehelicht. Und Harry steht total auf „normal“, wie man der einschlägigen Fachpresse entnehmen kann. Daher ein paar Tipps für den nächsten Besuch: Ganz wichtig, um nicht wieder ignoriert zu werden, ist das richtige Banner. „Marry me, Harry“ halten nur verzweifelte Anfängerinnen hoch. Besser ist ein Plakat mit simpler, aber pfiffiger Botschaft. Zum Beispiel, wenn man zufällig Sally heißt: „When Harry met Sally“. Das wirkt wie ein Magnet im Schilderwald.

Genauso gut und wichtig: Harrys Hobbys recherchieren und ihn damit locken. Militär, Kostüme, Hubschrauber, Rugby – zieht alles. Nur seine Vorliebe für wilde Partys nicht. Die Flasche Jägermeister zum Winken beim nächsten Mal besser zu Hause lassen. Daran lag’s wohl.

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Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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