Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...

... wird künftig mit Fragen konfrontiert, die noch vor zwanzig Jahren völlig utopisch waren, denn es geht um seine adoptierten Kinder.

… wird künftig mit Fragen konfrontiert, die noch vor zwanzig Jahren völlig utopisch waren: Wer von beiden geht in Elternzeit, wenn Kinder da sind? Wer steckt in seiner beruflichen Karriere zurück, um sich mehr um die Kinder zu kümmern? Und wie schützt man die Kinder davor, dass sie – kaum sind sie aus dem Gröbsten raus – inquisitorisch danach befragt werden, ob sie schwul geworden sind, ganz ohne Frau im Haus?

Hätte ich die Wahl, wünschte ich mir einen Sohn, einen schwulen Sohn. In meiner Erziehung würde ich alle Aufmerksamkeit und Fürsorge darauf ausrichten, dass aus ihm einmal ein stolzer schwuler Mann wird. Sein Kinderzimmer wäre voll von Zinnsoldaten und Barbiepuppen, und seine Bettwäsche strahlte eine Woche in Bonbonrosa und die nächste in Azurblau. Ein paar Jahre später gingen wir zum Eiskunstlauf. Pirouetten, Toeloop und doppelter Rittberger könnten ihm gefallen. Und im Sommer würden wir athletische Männerkörper beobachten bei Stabhochsprung- oder Sprintwettbewerben.

Wenn er sich dann – völlig hoffnungslos – zum ersten Mal verliebt in einen heterosexuellen Klassenkameraden, würde ich ihn beim Liebeskummer trösten mit all meiner Erfahrung. Natürlich müsste er Geige spielen lernen, Harfe wäre noch besser, dazu ein bisschen Ballettunterricht und erste Kenntnisse in Modedesign.

Kommt dann die Zeit für die richtigen Bücher, sollte er Klaus und Thomas Mann lesen, Edmund White und die wunderbaren Gedichte von Detlev Meyer. Die Lieder der Diven Garland, Streisand und Knef gehörten zum Grundkurs seiner musikalischen Bildung, später kämen die Songs von Rufus Wainwright, Peter Jöback und Scott Matthew dazu. Und im Kino würden wir uns vor allem die Klassiker anschauen: „Lawrence von Arabien“, „Tod in Venedig“ und „Ein Käfig voller Narren“. Die Filme von Almodóvar, Ozon und Ranisch folgten darauf wie von selbst.

Die erste Bildungsreise ginge selbstverständlich nach New York in die Christopher Street, und im italienischen L’Aquila pilgerten wir zum Grab von Karl Heinrich Ulrichs. Die Besonderheiten einer schwulen Sprache würde er ganz nebenbei erlernen, beim aufmerksamen Zuhören am Frühstückstisch, und die richtige Körpersprache guckte er sich einfach ab bei seinem Vater und den Onkeln. Was für eine éducation homosexuelle!

Und dann würde er eines Tages nach Hause kommen: „Ich muss mit dir reden“, und würde stockend eingestehen, dass er sich verliebt habe, in eine Frau, und er wolle heiraten. Ich würde ganz ruhig bleiben und ließe mir nichts anmerken: „Ich liebe dich trotzdem, du bist doch mein Sohn“, und wäre völlig verzweifelt, geplagt von der Frage: „Was habe ich nur falsch gemacht?“

Aber so weit wird es nicht kommen. Für einen Sohn bin ich inzwischen viel zu alt, und nach alldem, was ich hier als Erziehungsplan skizziert habe, würde mir keine Behörde der Welt einen Adoptivsohn zusprechen. Schließlich geht es immer und zuallererst um das Wohl des Kindes, und das ist heterosexuell. Alles andere ist Utopie.

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kari

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