Die Streitfrage: „Umbauen statt abreißen“

Nürnberg will das Reichsparteitagsgelände renovieren lassen. Richtig so, meint Künstler Gunter Demnig. Erinnerungen müssen sichtbar bleiben.

Jugendliche auf den Stufen der Tribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Bild: dpa

Das Geschichtsbewusstsein der Deutschen soll mit der Teilrenovierung des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes wieder aufgefrischt werden. Die Instandsetzung von Hitlers bröckelnder Tribünenenanlage soll über 60 Millionen Euro kosten. Für die Massen und die Ewigkeit wurden die NS-Bauten einst errichtet, mit der möglichen Renovierung würde man diesem Willen gewissermaßen entsprechen - trotz der Absicht diesen Ort als Mahnmal für den Größenwahn der Nazis in Erinnerung zu behalten.

Soll man die Reste des ‚Tausendjährigen Reiches‘ sinnbildlich zusammenbrechen lassen oder die Steine dieser Zeit zur Erinnerung wieder aufrichten?

Gunter Demnig ist Künstler und verlegt über die Grenzen Deutschlands hinaus „Stolpersteine“ für die Opfer des Nationalsozialismus. Er hält nichts davon NS-Bauten verfallen zu lassen: „Verschwinden lassen? - Dann müsste man den Römern auch den Rat geben: Reißt eure ‚ollen Klamotten‘ weg - Platz für den nächsten Supermarkt! Das Römische Reich - durch Gewalt und Unterdrückung entstanden - hat länger bestanden als unser ‚Tausendjähriges‘, diese Erinnerungen müssen sichtbar und erfahrbar bleiben.“ schreibt er in der taz.am Wochenende.

Auch für Yvonne Coulin als städtische Verkehrsdirektorin und Geschäftsführerin der Congress- und Tourismuszentrale in Nürnberg hat das „Zeppelinfeld eine herausragende Bedeutung“. „Hier wird die ganze verbrecherische Hybris des Regimes offenkundig, der Ort zeigt einzigartig die Humusschicht der Massenbegeisterung, auf der die Banalität des Bösen erst hat erwachsen können.“

Der eine will sich einen Bart wachsen lassen, doch es wächst noch nicht mal Flaum. Der andere schwor in Syrien schon den Treueeid auf den IS. Wie zwei junge Islamisten vom Märtyrertod träumen, der eine vor dem Rechner, der andere vor Gericht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. November 2014. Außerdem: Die Menschen in der Republik Moldau sind hin- und hergerissen zwischen Russland und der EU. Protokolle von fünf Moldawiern vor der Parlamentwahl am Sonntag. Und: Was passiert eigentlich auf Gangbang-Partys? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Die Möglichkeit die ‚Aura des Bösen‘ nachzuempfinden und damit nicht zu vergessen, gibt auch taz-Leser Clemens Scharf zu bedenken: „Mir ist die Dimension des Nationalsozialismus nie so bewusst geworden wie damals, als ich auf diesem Balkon stand, von dem Hitler seine Ansprache hielt.“ Für ihn ist der Abriss des Reichsparteitagsgeländes keine Option: „Nur totalitäre Staaten machen Geschichte selbst, indem sie radikal auslöschen, was vor ihnen war und sie prägte.“

Eine alternative Lösung für die Verwendung des Reichsparteitagsgeländes wünscht sich Jeanette Kunsmann. Sie ist Herausgeberin vom „Abriss-Atlas Berlin“ und Chefredakteurin von BauNetz. „Wenn man ein Gebäude bewusst verfallen lässt, kann man es konsequenterweise auch abreißen. Weitaus interessanter aber wäre, es umzubauen und ihm eine neue Nutzung zu geben - also eine neue Identität“.

Die Streitfrage der Woche beantworten außerdem Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der LMU München und die deutsch-israelische Journalistin und Autorin Inge Deutschkron Inge Deutschkron, in der taz.am wochenende vom 29./30 November 2014.

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