Die Staatschefs bei G20: Guten Feinden gibt man kein Küsschen

Roter Teppich, gute Bilder. Merkels Handeschütteln mit den Mächtigen der Welt kann jedoch nicht verbergen, wie fragil die Weltlage derzeit ist.

Ein Mann hebt die Hand, daneben eine Frau

„Angela, lass uns das lieber unter vier Augen klären“ Foto: ap

HAMBURG taz | An so einem Auftaktdefilee lässt sich wunderbar ablesen, wie es um die Freundschaften Deutschlands mit der Welt bestellt ist. Angela Merkel – Blazerfarbe: Rot, Handhaltung: Raute – steht am Freitagvormittag einsam vor der Medienwand mit dem stilisierten Globus in den Hamburger Messehallen. Vor ihr warten Dutzende Fotografen und Kameraleute auf einem Podest, Mitarbeiter des Bundespresseamts flüstern in ihre Handys.

Gedeihlicher Handel, konkrete Klimaabkommen, Energie, Sicherheitspolitik, bei der es sowohl um den zunehmenden Terrorismus als auch um Entwicklungspolitik und Gesundheit geht – das sind, grob gesagt, die Themen von Hamburg. Beim G20-Treffen ist die Stimmung angespannt.

Im zurückliegenden Jahr hat sich durch die Brexit-Entscheidung der Briten, durch den Putschversuch in der Türkei, durch zahllose weitere politische Krisen und nicht zuletzt durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten das globale Kräfteverhältnis verschoben. Die Europäische Union wirkt fragil, Trump wie ein gekränktes Kind. Was, wenn die andere Großmacht Russland querschießt?

Beim G20-Defilee in der Hamburger Messe geht es also um auch um gute Bilder von Politikern, die verantwortlich zu handeln gewillt und in der Lage scheinen. Die 19 geladenen Staatschefs werden nun über den roten Teppich auf Angela Merkel zuschreiten. Handshake, ein paar freundliche Worte, Fotoalarm, dann kommt der Nächste. So sieht es das Protokoll vor. Und es ist nicht zu übersehen, wer Merkels Lieblinge sind. Justin Trudeau, der smarte Kanadier, kommt lächelnd auf sie zu, sie tauschen Wangenküsschen. Ebenso läuft es mit dem französischen Newcomer Emmanuel Macron. Mit Wladimir Putin macht Merkel immerhin noch ein Witzchen.

Die Sucher nach neuen Partnern

Ganz anders dann Donald Trump. Steif und Körperabstand wahrend schütteln sich beide die Hände, schauen aneinander vorbei. Als Trump nach rechts abgeht, ballt er die Faust, schüttelt sie kurz in Richtung Journalisten. Mir, sagt das, kann keiner was.

Für Angela Merkel ist dieser G20-Gipfel, der schöne Bilder kurz vor der Bundestagswahl liefern sollte, ein kaum mehr zu lösendes Puzzle. Sie will ein Signal, dass die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer willens sind, gemeinsam globale Probleme anzupacken. Gleichzeitig lösen sich gewachsene Allianzen auf, die Suche nach neuen Partnern hat längst begonnen.

Putin und Trump? „Viel zu diskutieren“

Noch vor dem Handshake-Defilee hatten Merkel und Trump in Hamburg eine einstündige Verabredung. Es ist ja immer besser, Dissens nicht vor den Augen der Weltöffentlichkeit auszubreiten. Laut einem deutschen Regierungssprecher ging es denn auch um „außenpolitische Brennpunkte“, etwa die Lage in Nordkorea, im Mittleren Osten und in der Ost­ukraine.

Am Donnerstag hatte US-Präsident Donald Trump Polen besucht. Seine Rede in Warschau wurde von Berlin und Moskau aus aufmerksam verfolgt. Trump blieb seinem Ruf als Sowohl-als-auch-Politiker treu. Er betonte die Verbundenheit seines Landes mit der Nato. Zugleich kündigte er Schritte gegen das „destabilisierende Verhalten“ Moskaus an und versprach den Polen Patriot-Raketensysteme – zum Schutz gegen den russischen Nachbarn. Per Twitter verkündete er am Freitag in fast schon drohendem Ton, er werde mit Wladimir Putin „viel zu diskutieren haben“.

Klimaschutzabkommen als Kitt

Putin dürfte das nicht gefallen haben. Er und Trump haben sich in Hamburg für ihr erstes Treffen ausgerechnet dann verabredet, wenn in großer Teilnehmerrunde über das Thema Klima gesprochen wird. Ob planvoll oder planlos, war erst einmal unklar. Ist Trump bei der Umweltdebatte verhindert, kann und muss er sich auch nicht als Klimaschutzverächter gebärden.

Schon vorab hatte die britische Premierministerin Theresa May die Hoffnung geäußert, dass die USA zum Pariser Klimaabkommen zurückkehren könnten. Und auch Putin, der angesichts fortwährender Ausfälle von Trump plötzlich erstaunlich vernünftig wirkt, gibt die Hoffnung auf eine gemeinsame Klimapolitik nicht auf. Er sehe das Pariser Klimaschutzabkommen als Grundlage einer langfristige Zusammenarbeit, sagte er.

Angela Merkel ist keine Kletterin

Am frühen Nachmittag dann die nächste Medienoffensive. Beim Familienfoto steht Angela Merkel in ihrem knallroten Blazer vorn in der Mitte. Das sind sie also, die Mächtigen. Das ist der Gipfel.

Rechts von Merkel stehen Trump und Macron, links von ihr Putin und Erdoğan. Letzterer macht beim Photocall ein mürrisches Gesicht. Bei dem Treffen, das Merkel und er verabredet haben, soll es um die jüngsten Verhaftungen von Menschenrechtlern und den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel gehen. In einem Zeit-Interview hatte Erdoğan angekündigt, er werde „das Problem des Terrors ansprechen“. Damit meint er wohl den Vorwurf, Deutschland unterstütze die verbotene PKK.

Und dann geht es schließlich los mit den Beratungen. Angela Merkel eröffnet den G20-Gipfel. Hinter ihr sitzen ihre Berater, vor ihr die Staats- und Regierungschefs in elfenbeinfarbenen Sesseln an kleinen Arbeitstischen. Als „maritimes Symbol“ für das Treffen habe man sich für einen Kreuzknoten entschieden, sagt Merkel. „Je größer die Belastung ist, umso fester wird dieser Knoten.“ Tatsächlich aber ist der Kreuzknoten denkbar ungeeignet als ­Verbindungsknoten. Er taugt lediglich zum Verschnüren von Paketen. Ein Kletterer oder Segler weiß so was. Angela Merkel nicht.

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