Dicke Luft im Stuttgarter Talkessel: Streit um Fahrverbote

Die Deutsche Umwelthilfe will Baden-Württemberg zur Grenzwert-Einhaltung zwingen. Aber das Land tut sich mit Fahrverboten schwer. Warum nur?

Eine vierspurige Straße mit vielen Autos

Hier in Stuttgart ist schlechte Luft Foto: dpa

FREIBURG taz | Am Mittwoch verhandelt das Verwaltungsgericht Stuttgart über eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg. Das Land soll endlich wirksam gegen die Luftverschmutzung in der Landeshauptstadt Stuttgart vorgehen und zum Beispiel Dieselfahrverbote einführen.

Konkret geht es um Stickstoffdioxid (NO2), ein Reizgas, für das überwiegend Dieselmotoren verantwortlich sind. NO2 verursacht Husten und Bronchitis und erhöht das Risiko, an Herz-Kreislauf-Krankheiten zu sterben.

Seit 2010 gelten die Grenzwerte der EU-Luftqualitäts-Richtlinie. So darf die NO2-Konzentration im Jahresmittel nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. In Stuttgart liegen diese Werte aber an fast allen Hauptverkehrsstraßen über diesem Wert.

Wenn die Grenzwerte überschritten sind, müssen die Behörden Luftreinhaltepläne beschließen. Dort sind Maßnahmen zu benennen, die eine baldestmögliche Einhaltung der Grenzwerte ermöglichen. Die DUH klagt gegen den Stuttgarter Plan von 2013, den sie für mangelhaft hält.

Fahrverbote für ältere Dieselautos

Im März legte Baden-Württemberg den Entwurf für einen neuen Luftreinhalteplan vor. Dort kündigte die Landesregierung erstmals Fahrverbote an. Bei akuter Grenzwertüberschreitung sollten auf 22 Straßenabschnitten der Stadt keine älteren Diesel mehr fahren dürfen.

Nun hat die Landesregierung kurz vor Prozessbeginn einen Rückzieher gemacht und will auf Fahrverbote vorerst verzichten. Sie verweist einerseits auf die Rechtsauffassung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Dieser hatte erklärt, dass die vielen geplanten Fahrverbotsstrecken insgesamt eine Fahrverbotszone ergäben. Über solche Zonen dürfe aber nur die Bundesregierung entscheiden. Ob das richtig ist, wird am Mittwoch das Verwaltungsgericht Stuttgart prüfen.

Vor allem aber verwies das Land auf Angebote der Autoindustrie zur Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge. Die Nachrüstung sei unter dem Strich sogar wirkungsvoller als die geplanten Fahrverbote, so der Landesanwalt Wolfram Sandner. Nachrüstung müsse daher Vorrang vor Fahrverboten haben. Ob das Stuttgarter Verwaltungsgericht darin eine effiziente Strategie zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte sieht? Vermutlich nur, wenn auch weiterhin Fahrverbote für alte und nicht nachgerüstete Diesel drohen, weil die Dieselfahrer nur dann einen Anreiz haben, ihr Fahrzeug tatsächlich schnell nachzubessern.

Letztlich wird wohl das Bundesverwaltungsgericht entscheiden müssen, ob die Länder Fahrverbote verhängen dürfen

Letztlich wird wohl das Bundesverwaltungsgericht entscheiden müssen, ob die Länder Fahrverbote verhängen dürfen. Dort geht es um den ersten großen Erfolg, den die Umwelthilfe im Oktober 2016 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf erzielte. Die Bezirksregierung wurde verpflichtet, den Luftreinhalteplan für die Stadt so nachzubessern, dass der NO2-Grenzwert schnellstmöglich eingehalten werden kann. Das Gericht betonte dabei das „immense Minderungspotenzial“ eines Dieselfahrverbots. Gegen das Urteil erhob die damals rot-grüne NRW-Landesregierung Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das allerdings erst Anfang 2018 entscheiden will.

Sollte das Leipziger Gericht gegen die Länder entscheiden, müsste wohl die Bundesregierung die Regeln für Umweltzonen so verschärfen, dass nur noch besonders abgasarme Fahrzeuge mit einer blauen Plakette in die Zonen einfahren dürfen. Zwar verweigert Minister Dobrindt bisher die Einführung dieser blauen Plakette. Wenn aber sonst nicht genügend passiert, wird die EU-Kommission diesen Schritt erzwingen. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland läuft bereits. Im Februar 2017 hat die Kommission die letzte Mahnung geschickt.

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