Denkmalschutz-Streitfall Schilleroper: Bald nur noch ein Gerippe

Die Schilleroper auf St. Pauli wird bis auf ihr denkmalgeschütztes Stahlskelett abgerissen. Darunter soll ein Platz entstehen, daneben Wohnhäuser.

zur Hälfte aufgerissenes rundes Gebäude mit Trägerskelett, davor ein Bagger mit abgeknicktem Arm und ein Arbeiter im Schutzanzug

Ein Bagger zerkleinert Abrissmaterial in einer Spezialschaufel: Schilleroper Foto: Andrea Maestro

HAMBURG taz | Ein turmhoher Kranarm lässt eine Arbeitsbühne knapp über dem Dach der Schilleroper schweben. Arbeiter verankern die Plattform mit Seilen. Dann beginnen sie, die schmalen Bretter der Dacheindeckung wegzureißen. Nachdem die Nebengebäude in den vergangenen Monaten entfernt worden sind, hat jetzt die Skelettierung des 130 Jahre alten runden Zirkusbaus begonnen. Schon jetzt kann man quer durch das Gebäude hindurchsehen.

Was hier passiert, geschieht zwar auf Veranlassung der Eigentümerin, aber unter Begleitung eines vom Denkmalschutzamt bestellten Sachverständigen – um nicht zu sagen eines Aufpassers. Denn um das Objekt, eine von ganz wenigen erhaltenen festen Zirkusbauten aus dem 19. Jahrhundert in Europa, gibt es seit Jahren Streit. Die Eigentümerin würde gerne Tabula rasa machen und ohne das lästige Gerippe neu bauen. Der Senat und die Anwohner-Ini Schilleroper pochen auf den Denkmalschutz, den das Oberverwaltungsgericht 2013 bestätigte.

2017 versuchte die aktuelle Eigentümerin „Schilleroper Objekt GmbH“ den Denkmalschutz zu kippen, kam damit aber nicht durch – nicht zuletzt, weil sich die Bürgerini­tiative gegen die Pläne wehrte. Mehrfach versuchte der Senat, die Eigentümerin dazu zu bewegen, das Gebäude wenigstens gegen einen weiteren Verfall zu sichern. Doch die ließ ein Ultimatum ums andere verstreichen. Dann beantragte sie, die einsturzgefährdeten Nebengebäude abreißen zu dürfen.

Die laufenden Bauarbeiten dienen laut der Kulturbehörde dazu, die denkmalwürdige Sub­stanz zu erhalten. „Nicht aussteifende Dach- und Wandvserschalungen“ würden abgebaut. „Damit wird die Stahlkonstruktion entlastet, weil durch Wind und Regen kein zusätzliches Gewicht mehr auf ihr lastet“, teilt die Behörde mit. Anschließend solle das Stahlgerippe durch eine Stützkonstruktion in der Mitte vor dem Einsturz bewahrt werden. „Am Stahlgerüst wird nur von Hand gearbeitet“, versichert die Eigentümerin auf ihrer Homepage.

Die Eigentümerin beantwortet keine Fragen

Die Objektgesellschaft will zwar am Telefon keine Auskunft geben. Dafür gibt sie auf der Internetseite vage Hinweise zu ihren Plänen. Demnach soll unter dem Gerüst des Zirkusbaus ein öffentlicher Platz mit Durchgängen in drei Richtungen entstehen.

Drumherum sollen Häuser für seniorengerechtes, generationenübergreifendes Wohnen errichtet werden. Im Erdgeschoss sind kleine Läden vorgesehen, ein intergeneratives Fitnesscenter, Büros für einen ambulanten Pflegedienst, für ITler und Werbeagenturen. „Wir möchten die Schilleroper wieder zu einem belebten und bunten Ort machen“, verspricht die Firma. Das Grundstück liegt gleich hinter der Lerchenwache im Szenekiez und ist damit sehr attraktiv.

Die Pläne, mit denen die Investorin bisher an die Öffentlichkeit getreten war, sahen drei neue Häuser vor. Neben einer an die Gestalt des Zirkusbaus angelehnte Rotunde mit Arbeitsstätten und einem Hof als Treffpunkt sollen zwei sieben- und zehngeschossige Wohnhäuser entstehen. Weil der Zirkusbau ohnehin schon so marode sei, ergebe der Schutz des Denkmals wenig Sinn. Mittlerweile scheint sich die Eigentümerin mit der Erhaltung des Stahlskeletts abgefunden zu haben. Einen Bauantrag hat sie aber noch nicht eingereicht.

Um das Unternehmen soweit zu bringen, hat der Senat eine Stange Geld ausgegeben, wie aus einer parlamentarischen Anfrage des fraktionslosen Abgeordneten Detlef Ehlebracht hervorgeht: 73.000 Euro für ein Sicherungskonzept, 10.000 Euro für die baufachliche Begleitung und das Projektmanagment. „Zudem sind dem Denkmalschutzamt seit der Unterschutzstellung 2012 rund 19.000 Euro an Personalkosten für die Sachberarbeitung entstanden“, heißt es in der Senatsantwort.

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