Demobilisierungsskandal im Kongo: Waffen gestreckt – und verhungert

Dutzende Ex-Rebellen im Kongo sind im staatlichen Demobilisierungslager gestorben. Das ist kein Anreiz für Milizionäre, sich zu ergeben.

Schicksal ungewiss: demobilisierter Kindersoldat einer Miliz in Nord-Kivu. Bild: afp

BERLIN taz | Über hundert ehemalige Milizionäre beziehungsweise ihre Frauen und Kinder seien in der Obhut von Kongos Regierung gestorben, meldete vergangene Woche die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Seit einem Jahr schon hausen bis zu 1.000 demobilisierte Kämpfer verschiedener Milizen aus Ostkongo in einer Militärbaracke in der Provinz Équateur.

Das Militärlager Kotakoli gibt es seit den 60er Jahren. Es liegt tief im Busch. Die nächste Straße ist 60 Kilometer entfernt. Die von der Armee gelieferten Lebensmittel seien zu Beginn des Jahres zu Neige gegangen, sagt HRW. Seitdem müssen die entwaffneten Kämpfer und ihre Familien ohne Nahrungsmittel und medizinische Versorgung auskommen.

Bis zu hundert Menschen seien daher seit Dezember 2013 in Kotakoli an Unterernährung und Krankheiten gestorben, so der Bericht. Darunter 42 Exkämpfer, fünf Frauen und 57 Kinder, dünn wie Skelette. „Die Vernachlässigung durch die Regierung ist kriminell“, sagt HRW-Mitarbeiterin Ida Sawyer und fordert deren Verlegung.

Kongos Regierungssprecher Lambert Mende bedauert: Typhus sei in dem Lager ausgebrochen, erklärt er. Die Regierung habe nicht die Mittel, die Menschen zu versorgen. Das Verteidigungsministerium beklagt, dass internationale Geber nicht genügend Mittel zur Verfügung stellen.

Die Weltbank finanziert zwar ein Demobilisierungsprogramm für ausländische Rebellen, die aus dem Kongo in ihre Heimatländer Ruanda, Uganda oder Burundi zurückgebracht werden. Für kongolesische Kämpfer ist es jedoch nicht zuständig.

Bei den Verstorbenen handelt es sich um Kämpfer zweier bewaffneter Gruppen aus der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu: die Hutu-Miliz Nyatura und die Bahunde-Miliz APCLS (Allianz der Patrioten für einen Freien und Souveränen Kongo). Sie waren 2013 dem Ruf von Kongos Armee gefolgt, sich freiwillig zu ergeben. Sie wurden im Armeestandort Bweremana gesammelt und dann per Flugzeug in das über 1.000 Kilometer entfernte Kotakoli gebracht.

Negative Effekte auf den Friedensprozess

Weitere kamen in die Militärlager Kitona in Bas-Congo und Kamina in Katanga. Alle drei Lager sind in desolatem Zustand, die Kämpfer darin auch, berichten Diplomaten.

Im Kongo tummeln sich bis zu 50 Rebellengruppen; insgesamt schätzungsweise 25.000 Kämpfer, darunter fast 7.000 Kindersoldaten. Das staatliche Demobilisierungsprogramm vom Juni 2014 sieht vor, Milizionären Straffreiheit zukommen zu lassen, wenn sie sich freiwillig ergeben.

Zur Option stehen dann entweder die Integration in die reguläre Armee oder die Entlassung ins zivile Leben. Dabei soll es Hilfe vom Staat geben: eine bezahlte Ausbildung oder Startgeld für ein kleines Geschäft und psychologische Beratung – theoretisch zumindest. Doch jetzt entpuppt sich das als Himmelfahrtskommando.

Dies hat negative Effekte auf den Friedensprozess. Dass ihre entwaffneten Kameraden verhungern, spricht sich nämlich unter den noch aktiven Kämpfern herum. Sie bleiben jetzt lieber im Dschungel, statt sich zu ergeben.

In Uganda haben über 1.000 kongolesische Kämpfer der einstigen Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) Amnestie beantragt. Auch sie hofften, in ihre Heimat zurückzukehren, um das Demobilisierungsprogramm zu durchlaufen. Doch was sie da aus Kotakoli hören, jagt vielen Panik ein.

So scheint die Demobilisierung bewaffneter Gruppen im Kongo zu scheitern, noch bevor sie richtig begonnen hat. Gelingt es ehemaligen Kämpfern nicht, sich in einem zivilen Leben zurecht zu finden und ihre Familien zu versorgen, greifen sie früher oder später wieder zur Waffe.

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