Demo gegen Endlager Schacht Konrad: „Absurd und gefährlich“

1.000 Atomkraftgegner demonstrieren in Niedersachsen gegen das Endlager Schacht Konrad. Traktoren und Räder rollen beim Anti-Atom-Treck mit.

Mitarbeiter im Schacht Konrad

Schacht Konrad ist bisher das einzige nach Atomrecht genehmigte Endlager Foto: dpa

SALZGITTER taz | Mehrere Trecker haben gelbe Fässer mit schwarzem Radioaktivitätszeichen geladen, von anderen wehen Fahnen mit der Anti-Atom-Sonne. Autofahrer hupen, Radlerinnen klingeln, in manchen Fenstern stehen Leute und winken.

Bei gutem Wetter und in bester Stimmung sind mehr als tausend Menschen am Samstag in einem bunten Treck 30 Kilometer durch das südliche Niedersachsen gezogen. Mehr als 40 Landwirte rollen mit ihren Traktoren im Konvoi mit, an die 300 Demonstranten sind mit dem Rad gekommen. Der Protest richtet sich gegen das in Bau befindliche Atommüllendlager Schacht Konrad in Salzgitter, geichzeitig wird mehr Tempo angemahnt bei der Bergung der radioaktiven Abfälle aus dem maroden Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel.

Am Sitz des Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter ist der Treck am Morgen gestartet. In Vechelde, etwa auf der Hälfte der Strecke, stoßen noch einmal rund 70 Radfahrer dazu, die in Braunschweig losgefahren sind. Die Demo endet am Nachmittag in Peine, wo die neue Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) residiert. Die BGE ist mit der Suche nach einer Lagerstätte für den hochradioaktiven Atommüll betraut, sie trägt seit der Neuordnung der Zuständigkeiten bei der Entsorgung radioktiver Abfälle zudem Verantwortung für Schacht Konrad, die Asse und das ehemalige DDR-Morsleben.

Bei der Zwischenkundgebung in Vechelde steht Wolfgang Räschke hinter zwei verbeulten Tonnen und spricht in ein Mikrofon. „Wir reden bei Schacht Konrad nicht von irgendwelchem Krankenhausmüll“, sagt er. „Hier geht es um die Interessen der Atomindustrie, die ihren Müll irgendwo unterbringen will.“ Räschke ist 1. Bevollmächtigter der IG Metall in der Region, und viele der Menschen, die sich an diesem Tag gelbe Warnwesten übergezogen haben, sind Beschäftigte bei Volkswagen oder einem anderen Metallbetrieb.

Dass sich Gewerkschafter klar gegen eine Atomanlage positionieren, ist keineswegs selbstverständlich. Oft stehen Gewerkschaften und Umweltschützer sich unversöhnlich gegenüber, demonstrieren die einen für und die anderen gegen die Atomenergie. Zuletzt forderten RWE-Beschäftigte und Gewerkschaftsleute in Nordrhein-Westfalen die Rodung des Hambacher Forstes.

Auch Gewerkschafter gegen Schacht Konrad

In der Industrieregion Salzgitter aber halten viele Metaller eine Inbetriebnahme von Schacht Konrad für unverantwortlich. Es habe nie eine vergleichende Standortwahl gegeben, sagt Räschke. Der neueste Stand von Wissenschaft und Technik werde nicht eingehalten.

„Konrad muss aufgegeben werden, weil es ein altes Bergwerk ist, das den Anforderungen an ein Atommüllendlager niemals gerecht werden kann“, sagt auch Ludwig Wasmus von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad, dem atomkraftkritischen Dachverband in der Region. Es sei „absurd und gefährlich, dass an einem falschen und offensichtlich nicht umsetzbaren Projekt festgehalten wird, nur weil es dafür eine Genehmigung gibt“.

Konrad soll bis zu 303.000 Kubikmeter Atommüll aufnehmen. Längst zeichnet sich ab, dass viel zu klein geplant wurde: Für die radioaktiven Rückstände aus der Urananreicherung und den aus der Asse zu bergenden Müll gibt es im Schacht keinen Platz.

Dann doch lieber Asse

Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg vergleicht bei der Abschlusskundgebung Schacht Konrad mit Gorleben. Beide Projekte der 1970er Jahre seien mit denselben Fehlern behaftet: „Kein vergleichendes Verfahren, keine Alternativen, Durchsetzung Top-down, im Zweifel mit Polizeigewalt.“

Statt Schacht Konrad aufzugeben und mit den heutigen Maßstäben von Wissenschaft, Technik und Forschung die Atommüllproblematik insgesamt neu anzugehen, klammere sich die Politik an den einmal festgelegten Standort und mache einfach weiter: „Das kann nur schief gehen, weil in diesem Fall ein altes ausgedientes und totes Erzbergwerk 40 Jahre nach der Schließung reanimiert werden soll.

Statt in den Weiterbau von Schacht Konrad solle die BGE ihre Kräfte lieber auf den Bau eines neuen Schachtes im Bergwerk Asse konzentrieren, fordern Aktivisten. Die Rückholung des Atommülls sei zwar gesetzlich festgeschrieben, komme aber nicht voran. In das frühere Salzbergwerk Asse II wurden zwischen 1967 und 1978 etwa 126.000 Fässer mit schwach und mittelradioaktiven sowie chemischen Abfällen eingelagert. Darunter auch rund 500 Kilogramm Arsen und mindestens 28 Kilogramm hochgiftiges Plutonium.

Die Nachbarschächte Asse I und Asse III waren früher voll Wasser gelaufen und unbrauchbar geworden. Weil auch Asse II abzusaufen droht, sollen die Fässer geborgen werden. Eine Voraussetzung dafür ist die Errichtung eines neuen Schachts.

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