Debatte um Müll-Rekommunalisierung in Bremen: Gegen die Empfehlung

Weil der Staat die Müll-Abholung nicht organisieren kann, soll das laut Bremer Senats-Beschluss weiterhin eine Privatfirma machen. Gutachter sahen das anders.

Für solchen Dreck fehlt Bremen die kommunale Kompetenz, meint der Senat Foto: Hendrik Schmidt/ dpa

BREMEN taz | In der Politik ist es wie in einem guten Chor: Am Ende müssen alle gemeinsam singen. Der Kompromiss, den Grüne und SPD im Juli für die Zukunft der Müllabfuhr gefunden haben, sei eine „sehr gute und in die Zukunft weisende Weichenstellung“, meinte der SPD-Abgeordnete Arno Gottschalk. Der Kompromiss sorge für eine „zuverlässige Müllabfuhr mit stabilen Gebühren“, erklärte die Grünen-Sprecherin Maike Schaefer.

Es ging um die Frage, ob die Müllabfuhr wieder kommunal werden soll oder weiterhin privat organisiert bleibt. Sie bleibt größtenteils privat: Mit 51,1 Prozent der Anteile soll die unternehmerische Führung bei dem privaten Partner liegen, so der Kompromiss, mit 49,9 Prozent der Anteile soll die Kommune mehr Einfluss bekommen als bisher.

Keine Kompetenz

Der Senat bezieht sich in seiner Entscheidung auf ein vertrauliches Gutachten, das der taz vorliegt und das eine Reihe grundlegender Probleme des kommunalen staatlichen Handelns aufzeigt. Das größte Problem: Nach den Tarifen im öffentlichen Dienst kostet der Fahrer eines Stadtreinigungs- oder Müllfahrzeugs im Jahr rund 58.000 Euro.

Bei der privaten Firma Nehlsen, die derzeit die Müllabfuhr organisiert und sogar unter den Tarifen der privaten Entsorger liegt, kostet er 34.000 Euro. Wenn das ein Argument ist, dann stellt sich diese Frage auch anderswo: Wäre eine private Organisation bei Kindergärten, Schulen, Universitäten, bei der Bauverwaltung oder der Steuerbehörde auch so viel billiger?

Das zweite Argument für den Kompromiss wurde öffentlich deutlicher benannt: Mit der Privatisierung der Müllabfuhr 1998 hat die Kommune ihre Kompetenz in diesem Bereich völlig aufgegeben. Aus diesem Grund wurden auch die Fachleute der Beraterfirma Econum engagiert, die seit Monaten den Prozess der Kompromissfindung mit ihren teuren Gutachten begleiten.

Auffällig schlechte Verträge

Sie haben der Kommune schwarz auf weiß ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt: Die Verträge, mit denen die Müllabfuhr 1998 privatisiert wurde, seien auffällig schlecht, heißt es da. Denn die Dienstleistung war für 20 Jahre an Private vergeben, aber was dann mit den Müllfahrzeugen, den Betriebshöfen, den Mülltonnen und zum Beispiel auch den öffentlichen Papierkörben in der Stadt am Ende der Laufzeit passieren sollte, ist dort nicht geregelt.

„Weg für immer“ sei der Geist gewesen, mit dem damals diese Verträge formuliert wurden, beklagt der SPD-Politiker Gottschalk. Die Folge: Die Firma Nehlsen kann nun pokern, wenn Bremen diese ­Infrastruktur zurückhaben will.

Für den Fall, dass der neue Partner nicht wieder Nehlsen heißt, könnte das teuer werden. Die Müllfirma Remondes, die auch in Bremerhaven die Müllabfuhr betreibt, hat schon angeklopft. Auch sie würde, wenn sie die Ausschreibung gewinnen sollte, auf Fachleute von außen zurückgreifen.

Keine „Call“-Option

Die Experten von Econum beraten andere Städte, die eine kommunale Müllabfuhr haben, und wissen, dass das geht und dass es Fachleute gibt, die Bremen „einkaufen“ könnte. Aber Econum kennt auch die Stimmung im rot-grünen Senat. Das vertrauliche Gutachten vollführt daher einen klassischen Eiertanz und verweist auf „steuerliche Nachteile“ und die „Gewinnerzielungsabsicht“. Der Vorteil der Privaten dagegen sei ihre „größere tarifliche Flexibilität“, geringerer Krankenstand, effizientere innere Steuerung.

Entscheidend sei, das zeigten gute Beispiele der kommunalen Müllabfuhr in anderen Städten, die Kompetenz der Betriebsführung. Und, so fassen die Gutachter in ihrer streng vertraulichen Expertise zusammen: „Bei gleich gewichteten Kriterien ergäbe sich eine Vorteilhaftigkeit für eine Beteiligung (der Stadt) als Mehrheitsgesellschafterin.“

Am Ende müssen die Gutachter dann natürlich, weil sie ihre Beraterarbeit fortsetzen wollen, das empfehlen, was der Senat will. Für den Bereich der Stadtreinigung hatten die Gutachter dennoch eine „Call“-Option vorgeschlagen, nach der „nach einer Lernphase von 3-5 Jahren“ die Stadt wenigstens in diesem Bereich Mehrheitsgesellschafter werden könnte. Eine solche Option findet sich im Senatsbeschluss allerdings nicht.

Drei Millionen pro Jahr

Die Grünen, die 1998 als Opposition gegen die Privatisierung waren und heute gegen die Rekommunalisierung sind, waren davon ausgegangen, dass 25,1 Prozent staatlicher Einfluss ausreichen würde. Das, so die Gutachter, würde aber „nicht den Zielen der Stadtgemeinde“ entsprechen, weil es am Ende nicht mehr als eine „Kapitalanlage“ sei.

Für die 49,9 Prozent sprach am Ende zudem, dass die Kommune die Hälfte der Gewinne bekommen würde – der Senat geht von drei Millionen Euro pro Jahr aus. Auch die müssen, wie die Gewerbe- und die Mehrwertsteuer, die in das Staatssäckel fließen, aus den Müllgebühren bezahlt werden.

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