Das war die Woche in Berlin I: Die Angst vor den WählerInnen

Der SPD-Finanzsenator will die Themen Wohnungsbau und Flüchtlinge nicht verbinden – aus Angst vor dem Pöbel. Dabei ist Berlin in dieser Hinsicht viel weiter.

Bürgerspenden für Flüchtlinge. Foto: DPA

Er wolle die Themen Wohnungsneubau und Flüchtlinge nicht verknüpfen, sagt Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) im am Freitag erschienenen taz-Interview. Der Finanzsenator erinnert an die „Pogromstimmung“ der 90er Jahre, die durch solche Verknüpfungen befördert worden sei.

Ja, es gab diese Pogromstimmung. Doch Berlin ist nicht Rostock und nicht Hoyerswerda und auch nicht Freital. Auch in Berlin demonstrieren Rechte vor Flüchtlingsheimen, meist kleine Häufchen, und zwar vor allem – traurig, aber wahr – im Osten der Stadt. Deutlich mehr BerlinerInnen – auch im Osten! – steuern diese Heime derzeit aus ganz anderen Gründen an: Weil sie Spenden abgeben oder ehrenamtlich helfen wollen.

Hier deswegen eine andere These zur Erklärung der von Kollatz-Ahnen zitierten Pogromstimmung: Behörden und Politik haben sich damals auf die Seite des Pöbels gestellt, der vor den Heimen demonstrierte. Behörden, indem sie auf Hilferufe zu spät reagierten; Politiker, indem sie die Lage zur Einschränkung des Asylrechts nutzten.

Das kommt Ihnen bekannt vor, liebe LeserInnen? Richtig: Seit Wochen bitten freiwillige FlüchtlingshelferInnen Senat und Behörden vergeblich um Hilfe. Wieder diskutieren Politiker Einschränkungen im Asylrecht. Und wer vor Heimen demonstriert, heißt nicht mehr Pöbel, sondern neuerdings „Asylkritiker“. Wollten Politiker Pogromstimmung vermeiden, wäre der erste Schritt, sich klar auf die Seite derjenigen zu stellen, die Flüchtlinge aktiv willkommen heißen, die helfen und die mit der Aufnahme Schutzsuchender nicht den Untergang des Abendlands verbinden.

Doch wir wollen fair bleiben: Es ist nicht so, dass der Senat das nicht täte. Im neuen Flüchtlingskonzept findet sich dazu immerhin ein Satz: „Der Senat wird Anfeindungen und rassistische Ressentiments gegen Geflüchtete nicht hinnehmen und rechtsextremen Gruppierungen und Aktivitäten entgegentreten.“ Das ist zwar noch nicht ganz die Willkommenskultur, die sich der Senat auf die Fahnen geschrieben hatte, aber ein Anfang.

Schade nur, dass der nicht am Anfang steht. Der Satz findet sich auf der vorletzten Seite des Konzepts im Kapitel „Öffentlichkeitsarbeit“. Ein klares Bekenntnis, welchen Stellenwert der Senat ihm gibt.

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