Cricket in Hamburg: Spiel der harten Schläge

Der Deutsche Cricket-Bund bemüht sich darum, Frauen für das etwas komplizierte Spiel mit dem Holzschläger gewinnen. Eines von acht Teams trainiert in Hamburg.

Mit Cricketschläger: Londons Ex-Bürgermeister und Brexit-Befürworter zeigt, was britische Traditionen sind. Foto: dpa

HAMBURG taz | Dilani Mendis hält den Holzschläger fest in beiden Händen und wartet auf den harten Ball. Ihr Körper ist mit Pads und Gloves geschützt, nur der Helm fehlt für eine komplette Cricket-Ausrüstung. Die 25-jährige Medizinstudentin ist Kapitänin der Frauenmannschaft des THCC Rot-Gelb, Hamburgs einziger Damen-Cricketmannschaft. Dann kommt der Ball, fliegt aus der Bowlingmaschine, einem Gerät, das wie ein Projektor mit drei langen Beinen aussieht. Mendis stößt den Ball zurück – und macht sich bereit für den nächsten Schlag.

Jeden Samstagmorgen trainiert Mendis mit ihrer Mannschaft und dem ehrenamtlichen Trainer Moritz Hagenmeyer auf dem Vereinsfeld in Klein Flottbek im Hamburger Westen. Der THCC Rot-Gelb ist stolz darauf, die „netteste Damenmannschaft Deutschland“ zu haben, wie sie hier sagen. Zum Training kommen aber nicht immer alle Spielerinnen. Sie sind eine sehr vielfältige Gruppe, schon vom Alter: die jüngste Spielerin ist zwölf, die älteste 45 Jahre alt. Die beiden Frauen sind Mutter und Tochter.

Während Mendis ihren Schlag übt, trainieren auf dem Rasenplatz vier Spielerinnen das Werfen und Ergreifen. Sie stehen im Kreis und werfen sich einen Ball zu, erhöhen den Rhythmus, bis vier Bälle gleichzeitig hin und herfliegen. Die Übungsbälle sind leichter als die etwa tennisballgroßen Spielbälle aus rotem Leder mit einem Kern aus Kork.

Werferin und Schlagfrau sind die Hauptakteurinnen beim Cricket. Sie treffen auf dem Pitch aufeinander, das ist der wichtigste Bereich des Platzes ungefähr in der Mitte des Feldes. Die Werferin versucht, das etwa 20 Meter entfernte Wicket hinter der Schlagfrau zu treffen, eine Holzkonstruktion aus drei Stäben. Trifft der Ball das Wicket, ist die Schlagfrau raus aus dem Spiel. Trifft die Schlagfrau aber den Ball, müssen die auf dem Feld verteilten Spielerinnen der werfenden Mannschaft den Ball einfangen. So lange kann die schlagende Mannschaft Punkte sammeln. Wer am Ende die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt das Spiel.

In Deutschland gibt es nur acht Damenmannschaften und die spielen alle in einer Liga. Jede Saison besteht aus ein paar wenigen Spieltagen, an denen jeweils zwei Spiele nacheinander stattfinden – das Hin- und Rückspiel am selben Tag zu haben spart vor allem Reisekosten und erhöht die Chance, dass alle Spielerinnen Zeit haben. Trotzdem fallen manchmal Spiele aus, weil eine Mannschaft nicht die nötigen elf Spielerinnen zusammenbringt.

Bei den Männern sieht das anders aus, hier gibt eher keine Personalnot und Cricket ist in den vergangenen Monaten und Jahren eine Integrationshilfe geworden. Immer mehr Männer mit ausländischer Herkunft spielen in den Mannschaften mit. „Es ist erstaunlich, dass die Situation bei Frauen und Männern umgekehrt ist“, sagt Monika Loveday, Frauenwart beim Deutschen Cricket Bund. „Bei den Damenmannschaften machen deutsche Frauen ohne ausländische Herkunft 90 bis zu 95 Prozent der Spielerinnen aus.“ Bei den Männern sei es andersherum.

Für den Deutschen Cricket Bund ist es aber wichtig, dass auch Frauen am Spiel teilnehmen – auch wenn es nur wenige sind. Sie wollen den Sport weiter verbreiten und darum Frauen als Zielgruppe erschließen. Außerdem geht es um das Ansehen des Landesfachverbandes innerhalb des Welt Cricket Verbandes, dem International Cricket Council, in dem mehr 100 Länder organisiert sind, in denen Cricket gespielt wird.

Dilani Mendes, Kapitänin

„Man fühlt eine schöne Atmosphäre, er ist ein sehr höflicher Sport“

Und natürlich um Geld, denn der Welt-Cricket-Verband, der 2005 seinen Hauptsitz von London nach Dubai verlegte, unterstützt die Fachverbände der Länder finanziell. Beim Deutschen Cricket-Bund macht der Zuschuss ungefähr 70 Prozent des Haushaltes aus, der Rest kommt von Mitgliedsbeiträgen der knapp 100 deutschen Vereine. Extra Geld gibt es vom Welt-Cricket-Verband für Frauencricket.

Verena Dörtelmann kommt zu jedem Training. Sie ist 22 Jahre alt und studiert Sicherheitsmanagement. Vor dem Studium hat sie ein Jahr in Neuseeland als Aupair verbracht und ihre Leidenschaft für Cricket entwickelt. „Ich habe mit den Kindern immer Cricket gespielt. Die Eltern waren Trainer“, erzählt sie. „Mir macht es mehr Spaß als Fußball: Hier braucht man mehr Konzentration, um gut spielen zu können.“ Sie spielte beim Johnsonville-Cricket-Club in einem Vorort der Hauptstadt Wellington. Nach ihrer Rückkehr wollte sie weiter spielen und landete beim THCC.

Kapitänin Mendis kommt aus Hamburg, ihr Vater aus Sri Lanka. Er brachte seinen Kindern das Spiel bei. Mendis kam schon früher oft zum THCC, um ihren kleinen Bruder spielen zu sehen. Als Hagenmeyer dann vor zwei Jahren die Damenmannschaft gründete, war Dilani Mendis eine seiner ersten Spielerinnen.

„Die Deutschen verstehen nicht, was Cricket ist“, sagt sie. „Man muss Baseball als Beispiel nutzen, um den Sport verständlich zu machen.“ Es gibt tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Baseball, aber die Cricket-Regeln sind komplizierter – besser gesagt: die Cricket-Gesetze. „Es gibt keine Regeln, es gibt Laws“, sagt Hagenmeyer.

Die englische Herkunft des Sports wird auch beim Training beachtet. Man spricht Englisch und versucht, den besonderen Wortschatz zu berücksichtigen – so sammelt jede Mannschaft Runs und keine Punkte. Dass Cricket einst ein Sport für die britische Elite war und ein Sport, den die Briten als koloniale Besatzer in die Welt trugen, stört die Spielerinnen nicht. „Man fühlt eine schöne Atmosphäre, er ist ein sehr höflicher Sport“, sagt Mendi. „Und hauptsächlich hat man Spaß.“

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