Colin Kaepernick einigt sich mit der NFL: Aus dem Knie gekommen

Footballprofi Colin Kaepernick schließt einen Vergleich. Bei der Frage, ob sich die NFL so sein Schweigen erkauft hat, gehen die Meinungen auseinander.

Das Antlitz von Kaepernick auf eine Hauswand gemalt

Als aktiver Spieler kniete er während der Nationalhymne nieder und prangerte so Rassismus an Foto: ap

NEW YORK taz | Auf den ersten Blick war die Nachricht für all diejenigen, die Colin Kaepernick als Galionsfigur einer neuen Generation politisierter Athleten sehen, ein Schlag in die Magengrube. Am späten Freitagnachmittag, gerade spät genug, damit die Nachricht nicht das Sportwochenende dominiert, gab die National Football League in New York bekannt, sie habe sich mit Kaepernick auf einen Vergleich geeinigt.

Da hatte also Kaepernick am Ende doch nachgegeben und ein Schweigegeld angenommen. Zentraler Punkt der Abmachung zwischen der NFL und Kaepernick, der gegen das faktische Berufsverbot der Liga gegen ihn geklagt hatte, nachdem kein Team ihm mehr einen Job geben wollte, war beiderseitiges Stillschweigen über den Gegenstand der Klage und die Hintergründe der Einigung.

Man hätte es als große Niederlage für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung werten können, die mit Kaepernick tief in den Sport eingedrungen war. Die Reaktionen waren jedoch ganz andere. So sagte Le­Bron James, der selbst ernannte größte Basketballspieler aller Zeiten, auf einer Pressekonferenz, dass er sich über „Kaeps großen Sieg“ freue und hoffe, dass er „einen Haufen Geld“ eingesteckt habe.

Das Fachmagazin Sports Illustrated schrieb: „Kaepernick hat gewonnen. Punkt.“ Die New York Times schlug in eine ähnliche Kerbe und prognostiziert: „Es mag sein, dass der Quarterback Kaepernick der Geschichte angehört. Seine Zukunft als Vorkämpfer für die Menschenrechte hat jedoch gerade erst begonnen.“

Kaepernick warf Team-Eignern Absprache vor

Die Tatsache, dass die NFL Kaepernick einen Vergleich angeboten hatte, dessen Höhe auf 80 bis 100 Millionen Dollar geschätzt wird, wurde von der Mehrheit der Beobachter nicht als Ausverkauf durch Kaepernick, sondern als Einknicken der NFL gewertet. „Der Vergleich“, schrieb der Sportkommentator der linken Wochenzeitschrift The Nation, Dave Zirin, „ist ein ziemlich untrügliches Zeichen dafür, dass Kaepernick etwas gegen die Liga in der Hand hatte.“

Kaepernick hatte in der Saison 2016 begonnen, gegen Rassismus in den USA zu protestieren – mit der simplen Geste, während des Abspielens der Nationalhymne niederzuknien anstatt mit der Hand auf dem Herzen der Fahne zu salutieren. Das Beispiel machte Schule, immer mehr Spieler schlossen sich ihm an, der Protest schwappte in andere Sportarten und sogar auf andere Kontinente über.

Dave Zirin, „The Nation“

„Er hatte etwas gegen die Liga in der Hand“

Nach der Saison beendete Kaepernick, einer der besten Quarterbacks der Liga, von sich aus sein Engagement bei den San Francisco 49ers. Seither findet er keine Anstellung mehr als Berufssportler, obwohl auf seiner Position in der NFL ein viel beklagter Mangel an hochkarätigen Spielern herrscht. Im Herbst 2017 legte Kaepernick deshalb eine Beschwerde ein und behauptete, es gebe eine Absprache zwischen den Team-Eignern, ihn nicht mehr zu beschäftigen. Die Klage stand nun kurz vor einer öffentlichen Anhörung.

Ein implizites Schuldeingeständnis

Kommentatoren wie Dave Zirin glauben, dass die Liga mit allen Mitteln zu verhindern suchte, es zu dieser Anhörung kommen zu lassen. Der Kaepernick-Fall hatte den Football zuletzt wieder während der Superbowl geplagt, als ein Musiker nach dem anderen sich weigerte, in der Halbzeit-Show aufzutreten, solange Kaepernick keinen Job in der Liga finde. Laut der New York Times gibt es Aufzeichnungen von Gesprächen unter den Team-Eignern, die sich nach der Kritik von Donald Trump an den antiamerikanischen Umtrieben im Football große Sorge um das Ansehen des Sports zeigten.

Was bleibt, ist die Frage, warum Kaepernick den Vergleich angenommen hat. Juristen glauben, dass es vor Gericht extrem schwierig gewesen wäre, eine Verschwörung zu beweisen. Im schlimmsten Fall hätte Kaepernick einen langen, kostspieligen Schauprozess vor sich gehabt, der seine Lage eher verschlechtert hätte. Er hätte verlieren können und damit seinen Status als Gesicht einer Bewegung beschädigt.

So hat Kaepernick den für ihn zu diesem Zeitpunkt günstigsten Ausgang gewählt: ein implizites Schuldeingeständnis der NFL und eine großzügige Entschädigung. Den Rassismus im US-Profisport und in der amerikanischen Gesellschaft hat er damit freilich nicht beseitigt. Aber er hat immerhin einer neuen Generation von Sportlern gezeigt, dass sie die Dinge nicht stillschweigend hinnehmen müssen.

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