Christian Meyer über die Agrarwende: „Wir wollen überzeugen“

Eine nachhaltige und ökologisch-vertretbare Landwirtschaft lässt sich nicht befehlen – aber mit Anreizen auf den Weg bringen, sagt der Grünen-Politiker Christian Meyer.

Soll in Niedersachsen besser vermarktet werden: Weidemilch von glücklichen Kühen. Bild: dpa

taz: Herr Meyer, sind Sie ein Bauernschreck?

Christian Meyer: Nein. Im Wahlkampf hatte ich viele Veranstaltungen mit Landwirten, sowohl auf dem Podium als auch unter den Zuschauern. Es ist nie einer erschrocken. Und ausgebuht hat man mich auch nicht.

Gab’s nicht beim Landvolk Vorbehalte?

Es ist klar, dass einige Funktionäre lieber einen CDU-Minister gehabt hätten. An der Basis ist das Bild aber ein anderes: Den Grünen wird in Niedersachsen mehr Landwirtschaftskompetenz zugetraut als jeder anderen Partei. Und ich habe sehr viele positive Rückmeldung bekommen – von Ökobauern, aber auch von konventionellen, von Milchviehhaltern und von Rübenbauern: Es hat sich herumgesprochen, dass wir an der Seite von bäuerlichen Betrieben stehen, gegen Finanzinvestoren, die Boden als Spekulationsobjekt aufkaufen, oder für eine Verteilung der Subventionen, von der eine mittelständische Landwirtschaft profitiert.

Das passt zu den Plänen von EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş: Wird das Projekt der Agrarwende jetzt am Bund vorbei im Zusammenspiel von Ländern und EU wiederbelebt?

Klar ist: Wir haben eine rot-grüne Mehrheit im Bundesrat, und keine Partei stellt auf Länderebene so viele Agrarminister wie die Grünen. Da wird sich auch Frau Aigner überlegen müssen, ob sie an ihrer Position festhält: Wir unterstützen dabei das von Cioloş geforderte Greening als ökologische Komponente, wir wollen eine Agrarförderung, die gesellschaftliche Leistungen wie Tier und Umweltschutz stärker honoriert.

,37, wird der niedersächsische Agrarminister. Bei den Grünen ist der Diplomsozialwirt seit 1994.

Dann wäre es ja doch schlau gewesen, die Europa-Politik im Agrarressort anzusiedeln, wie Stephan Weil es vorhatte. Warum hat man die Idee verworfen?

Hat man ja nicht: Kern der Idee war, die EU-Förderung besser zu koordinieren. Das hatte die alte Landesregierung geradezu verweigert, sodass ihre Minister mit gezückten Portemonnaies durchs Land liefen, um mal hier ein Fehlprojekt wie die Erlebniswelt Weserrenaissance anzuleiern oder mal dort ein paar Millionen für Schneekanonen im Harz zu verpulvern. Deshalb wird’s bei uns eine Stabsstelle geben.

Aber nicht im Agrarressort.

Nein, in der Staatskanzlei: Alle Ressorts sind betroffen. Von daher ist es sinnvoll, eine übergreifende Abstimmung beim Ministerpräsidenten anzusiedeln…

der alles beaufsichtigt?

Diese Stelle hat eine klare Koordinierungs, keine Kontrollfunktion. Die entmachtet die Ressorts nicht, sondern entwickelt mit ihnen eine gemeinsame Strategie.

Dabei kommt Agrar aber eine Sonderrolle zu?

Wir sind in Niedersachsen – vom Umsatz – Deutschlands Agrarland Nummer 1. Wir können das aber nur bleiben, wenn wir neue Märkte erschließen. Wir dürfen beispielsweise den Bio-Boom nicht länger an uns vorbeiziehen lassen: Da gab’s im vergangenen Jahr sechs Prozent Umsatzwachstum…

nur in Niedersachsen ist die ökologisch bewirtschaftete Fläche geschrumpft.

In diese Bereiche müssen wir dringend stärker hineingehen. Da müssen wir – wie es Nordrhein-Westfalen tut – Anreize setzen, indem wir die Ökoprämien erhöhen. Und wir würden gerne auch Vorreiter beim Tierschutz sein: Wenn wir hier schneller sind, wenn wir das Schnäbelkürzen stoppen und die Käfighaltung beenden, hat das auch Signalwirkung für Europa.

Allerdings: den Initiativen wird das zu langsam gehen – und wenn ein Maststall genehmigt wird, sind jetzt Sie schuld!

Das glaube ich nicht. Ich kenne viele der Initiativen sehr gut: Die Menschen, die sich engagieren, sind aufgeklärte Bürger. Die wissen, was sich auf Landesebene erreichen lässt, und was nicht. Die sind auch im Stande, zu würdigen, dass wir hier einen einzigartig guten Koalitionsvertrag mit klaren Zielen formuliert haben. Wir führen in Niedersachsen eine Tierschutzverbandsklage ein, und wir wollen in Kooperation mit den anderen Bundesländern dafür sorgen, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung zu halbieren: Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Auf Landesebene können wir dafür sorgen, dass es einheitliche Umwelt-Standards bei der Genehmigung von Stallbauten gibt: Das wird den Initiativen und den Kommunen helfen. Vor allem aber gilt es, Anreize für die Agrarwende zu schaffen.

Zum Beispiel?

Da hat der Koalitionsvertrag doch eine ganze Menge zu bieten: Das reicht von dem Plan für ein 100-ökologische-Kantinen und ein Schulobstprogramm über die Einführung freiwilliger vegetarischer Tage bis zur regionalen Weidemilchvermarktung.

Und das soll was bringen?

Derartige Pilotprojekte werden den Dialog in Gang setzen, welche Lebensmittelerzeugung wir eigentlich wollen. In der Stadt und auf dem Land. Und das ist das wichtigste. Denn eine neue, ökologische Landwirtschaft lässt sich nicht dekretieren. Ein solches Leitbild muss im Gespräch zwischen Initiativen, Verbrauchern, Verbänden, den unterschiedlichen Gruppen der Landwirtschaft und mit den Kommunen entwickelt werden. Wir wollen überzeugen, damit die Bereitschaft wächst, sich mit uns auf den Weg in eine neue, nachhaltige und ökologisch verträgliche Landwirtschaft zu machen.

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