Chinesische Fanartikel für Olympia: Maskottchen aus dem Sweatshop

„Grün und nachhaltig“ sollen die Spiele in London sein. Das Organisationskomitee hat diesen Slogan ausgegeben – und Fanartikel in chinesischen Sweatshops bestellt.

Bei der Billigproduktion der Maskottchen Wenlock und Mandeville hat es offenbar nicht einmal für zwei Augen pro Nase gereicht Bild: dpa

PEKING taz | Wenlock und Mandeville sind aus glänzendem Stahl, haben jeweils nur ein großes Auge, dafür aber orangefarbene Leuchten auf dem Kopf, die an die Lichter der britischen Taxis erinnern. Ein in England bekannter Kinderbuchautor hat die Entstehungsgeschichte des Londoner Olympia-Maskottchens und seines Paralympics-Partners geschrieben und auch einen Film dazu gedreht.

Diesem Film zufolge wurden sie aus den letzten Tropfen flüssigen Stahls gegossen, die nach der Fertigstellung des Olympiastadions in London übrig geblieben sind. In Wirklichkeit aber beginnt das Leben von Wenlock und Mandeville in chinesischen Sweatshops.

140 Überstunden im Monat und mehr müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter in mindestens zwei Fabriken in der südchinesischen Provinz Guangdong leisten, um Plüschabbilder der Maskottchen für die Londoner Spiele zu nähen und auszustopfen. Das zeigt eine Untersuchung der in Hongkong ansässigen Arbeitsschutzorganisation Sacom (Students and Scholars Against Corporate Misbehaviour).

Dabei lässt auch das chinesische Gesetz monatlich nicht mehr als 36 Überstunden zu. Die Arbeiter müssten um acht Uhr morgens ihre Schicht beginnen, nachdem sie zuvor bis Mitternacht gearbeitet hätten, kritisierte eine Sprecherin von Sacom. Zudem werde ihnen der Lohn von anderthalb Tagen gestrichen, wenn sie fünf Minuten zu spät seien. Insgesamt erhielten sie umgerechnet nicht einmal acht Euro pro Arbeitstag. Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten ist das auch für südchinesische Verhältnisse zu wenig.

Die miserablen Produktionsbedingungen werfen ein schlechtes Licht auf die chinesischen Behörden. Sowohl die Zentralregierung in Peking als auch die Provinzregierung von Guangdong hatten bereits vor zwei Jahren versprochen, die Arbeitsbedingungen deutlich zu verbessern. Den gesetzlichen Mindestlohn haben sie tatsächlich erhöht und die Unternehmer immer wieder angemahnt, die Arbeitsschutzbestimmungen einzuhalten, die inzwischen durchaus mit denen in Europa mithalten können.

Giftige Dämpfe und verfärbter Speichel

Doch wie die Sacom-Studie zeigt, ist die Realität immer noch eine andere. Was die beiden Fabriken in Dongguang und Shenzhen betrifft, prangert Sacom auch den mangelnden Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz an. Die Arbeiter seien ohne ausreichende Schutzkleidung ständig giftigen Dämpfen ausgesetzt, sodass sich bei einigen von ihnen bereits der Speichel verfärbt habe. Viele von ihnen müssten Schutzmasken selbst kaufen.

Eine Mitschuld gibt Sacom aber auch dem Organisationskomitee für die Olympischen Spiele in London (Locog), das die Herstellung immerhin in Auftrag gegeben hat. Mit der Bestellung bei diesen beiden Firmen habe sie gegen selbst formulierten Richtlinien verstoßen, nach denen die Spiele in London „grün und nachhaltig“ werden sollen – was wiederum zeige, dass sie nicht mehr als „Lippenbekenntnisse“ seien.

Allein mit den einäugigen Figuren Wenlock und Mandeville wollen die Veranstalter in London in den kommenden drei Wochen umgerechnet rund 17,4 Millionen Euro verdienen, mit dem Verkauf von Fanartikeln insgesamt sogar 70 bis 80 Millionen Euro.

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