CDU in Berlin: Lächelnd in den Neuanfang

Monika Grütters, im Dezember als Parteichefin eingesprungen, will am Samstag wiedergewählt werden und die Parteispitze verweiblichen.

Grütters und der Innenminister

Kann auch feiern: Monika Grütters, Berlins CDU-Chefin Foto: dpa

Dreimal in einem halben Jahr gewählt zu werden, das sei ziemlich anstrengend, sagt Monika Grütters. Erst im Dezember als CDU-Landesvorsitzende und Nachfolgerin von Frank Henkel eingesprungen, dann im März zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl bestimmt. Nun soll an diesen Samstag aus dem Einspringen ein Dauerzustand werden, wenn die CDU ihren kompletten 20-köpfigen Landesvorstand neu wählt. Sonderlich gestresst sieht Grütters, im Hauptjob Kulturstaatsministerin des Bundes, in dieser Woche allerdings nicht aus.

Wenn ihr entspanntes Lächeln bei einem Frühstück mit Journalisten sinnbildlich für den Zustand der hiesigen CDU ist, so müsste sich dort im letzten halben Jahr viel verändert haben. Im Dezember sah Grütters’ Gesicht ganz anders aus. Wütend, mit halb belegter, halb zorniger Stimme stand sie in der Kulturbrauerei vor den 70 Delegierten eines kleinen Parteitags. Die hatten sie zwar gerade zur Henkel-Nachfolgerin gemacht, aber ihren Wunsch-Generalsekretär Stefan Evers im ersten Anlauf durchfallen lassen und auch im zweiten Durchgang nur knapp gewählt.

Wie könne man sich so demontieren, empörte sich Grütters sinngemäß, nachdem man doch bei der Parlamentswahl Ende September erst die schlimmste Niederlage überhaupt erlitt und auf 17,6 Prozent abrutschte?!

Tatsächlich ist es seitdem ruhiger in der CDU geworden. Oder zurückhaltender gesagt: Streit dringt kaum noch nach außen. Negativschlagzeilen gab es zuletzt, als sich im Frühjahr in Steglitz-Zehlendorf Ex-Senator Thomas Heilmann mit dem dortigen langjährigen Bundestagsabgeordneten um die Kandidatur für die Wahl im September stritt. Dabei wurde eine Affäre um gefälschte Stimmzettel bei einer Mitgliederbefragung bekannt, für die sich die Kontrahenten gegenseitig verantwortlich machten.

Grütters spricht davon, dass der kleine Parteitag im Dezember ja nur ein Kreis von Funktionären gewesen sei. Dass der Parteitag am Samstag ein regulärer mit fast 300 Delegierten sei, näher an der Basis mit ihren 12.000 Mitgliedern. Dass sie zudem in den vergangenen Monaten „unendlich viele Gespräche“ geführt habe. Und zur Zehlendorfer Affäre erklärt sie, nach allerjüngsten Erkenntnissen sei „einigermaßen offensichtlich, dass Thomas Heilmann da nicht aktiv involviert war“.

Die CDU-Vorsitzende sieht sich in ihrer Entscheidung bestätigt, mit Evers den vormaligen Generalsekretär Kai Wegner zu ersetzen, der zwar beliebt und umtriebig war, aber wie sie Bundestagsabgeordneter ist. Grütters hielt und hält die direkte Verbindung in die Landespolitik und die Abgeordnetenhausfraktion für unerlässlich: Evers ist dort Vizechef und Sprecher für das zentrale Feld Stadtentwicklung. „Exzellent und reibungsfrei“ nennt Grütters die Zusammenarbeit mit der Fraktion.

Außerhalb der CDU gehen die Meinungen über die Fraktion auseinander: Die einen gestehen ihr seriöse Arbeit gerade in der Innenpolitik zu, die sich wohltuend vom Auftreten von FDP und AfD abgrenze. Anderen halten den Christdemokraten vor, noch längst nicht vom Regierungs- auf Oppositionsmodus umgeschaltet zu haben. Evers selbst gab jüngst den Hardliner, als er nach Attacken auf Polizisten in der Rigaer Straße von „widerwärtigem Gesindel“ sprach und, forderte, „dieses Nest von Linksfaschisten“ auszuräuchern. Manche sahen darin Nazi-Sprache und den Versuch, sich an AfD-Wähler heranzuwanzen.

Die Union liegt in Umfragen auch in Berlin inzwischen vor den Sozialdemokraten

Beim CDU-Parteitag am Samstag stehen neben der Vorstandswahl mehrere inhaltliche Entscheidungen an. Etwa der "Aktionsplan gegen linke Gewalt", den unter anderem Generalsekretär Stefan Evers verantwortet. Ein Ende des Begegnungszonen-Programms fordert ein Antrag des Kreisverbands Tempelhof-Schöneberg: Die dortige Maaßenstraße ist Pilotprojekt bei diesem Versuch eines gleichberechtigten Umgangs aller Verkehrsteilnehmer.

Parallel läuft bis zum 30. Juni die Mitgliederbefragung über die Zukunft des Flughafens Tegel. Die CDU will ihre 12.000 Mitglieder darüber entscheiden lassen, ob sie vor dem Volksentscheid am 24. September für einen Weiterbetrieb des Flughafens wirbt. Als Regierungspartei in der rot-schwarzen Koalition hatte die CDU die 1996 vereinbarte Schließung unterstützt. (sta)

Setzt sich Grütters am Samstag durch, wird die künftige engere CDU-Spitze, das Präsidium, in der Grütters als Vizechefin über viele Jahre die einzige Frau war, deutlich weiblicher: Die Zehlendorfer Bürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski und die Reinickendorfer Stadträtin Katrin Schultze-Berndt sollen zwei der vier Vizechefposten übernehmen. Ein Stück weit ist das Gremienkosmetik: Diese Plätze machen die Kreis­chefs der beiden Frauen frei, Thomas Heilmann und Frank Steffel. Und Letztere sind weiterhin zwei der mächtigsten Figuren in der Partei; sie würden nur formal nicht mehr der Parteispitze angehören.

Nebenbei macht Grütters klar, dass sie nach der Bundestagswahl gern Ministerin bleiben möchte. „Ich hoffe, dass Berlin weiter mit am Kabinettstisch sitzt, wenn ich das mal so verklausuliert sagen darf“, formuliert sie ihr Verlängerungsgesuch Richtung Kanzlerin Merkel.

So lächelnd Grütters vor den Journalisten sitzt: Eine konkrete Messlatte will sie nicht auflegen, als die Frage kommt, welches Resultat sie am Samstag für ihren im Dezember so abgewatschten Generalsekretär Evers erwartet. Sie rechne „mit guten Zustimmungswerten“, sagt sie bloß. Gastrednerin wird Annegret Kramp-Karrenbauer sein, für Grütters die Frau, die mit ihrem klaren CDU-Wahlsieg im Saarland im März „den Umschwung in der Stimmung“ brachte und die Erfolge in Schleswig-Holstein und in NRW vorbereitete.

In Umfragen liegt die CDU seit Mitte Mai auch in Berlin vorn. Das Dumme für Grütters ist bloß: Abgeordnetenhauswahl ist erst wieder 2021.

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