CDU-Arbeitnehmerflügel attackiert Spahn: „Rentenpolitischer Rambo“

CDU-Politiker Jens Spahn fordert die Abschaffung der Rente mit 63 und wird vom Wirtschaftsrat seiner Partei unterstützt. Der Arbeitnehmerflügel hält dagegen.

Jens Spahn schiebt die Unterlippe nach vorn

Wo gehobelt wird, fallen Spähne Foto: dpa

BERLIN afp | CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hat mit seiner Forderung nach Abschaffung der Rente mit 63 den Arbeitnehmerflügel seiner Partei gegen sich aufgebracht. CDA-Bundesvize Christian Bäumler nannte Spahn einen „rentenpolitischen Rambo“. Die Union habe „auch wegen fehlender sozialer Sensibilität“ bei der Bundestagswahl stark verloren. Kritik äußerten auch DGB und SPD. Forderungen nach einem schnellen Aus für die Rente mit 63 kamen aus der Wirtschaft.

Bäumler warf Spahn vor, sich auf Kosten älterer Arbeitnehmer profilieren zu wollen. „Wer 45 Jahre gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, sollte ohne Abschläge in Rente gehen können. Mit Frühverrentung hat das nichts zu tun“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), am Montag dem Handelsblatt.

Spahn hatte zuvor in der Rheinischen Post das Ende der Rente mit 63 gefordert. „Wir sollten diese Form der Frühverrentung auslaufen lassen und mit den eingesparten Milliarden lieber die Renten von Witwen oder Erwerbsgeminderten stärken“, sagte Spahn. „Die Rente mit 63 für langjährig Versicherte wird vor allem von männlichen Facharbeitern genutzt, die wir eigentlich noch brauchen.“

CDA-Vize Bäumler sagte dazu: „Es schadet dem Zusammenhalt der Gesellschaft, wenn die Rente ab 45 Beitragsjahren gegen die Erwerbsminderungsrente und die Witwenrente ausgespielt wird.“

„Wer die Rente mit 63 zurückdrehen will, ignoriert schlicht die Lebenswirklichkeit vieler Menschen“, kritisierte auch DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Es müsse mehr statt weniger Möglichkeiten für Beschäftigte geben, vor dem 67. Lebensjahr in Rente zu gehen.

„Mehr soziale Kälte als soziale Verantwortung“

Viele Menschen erreichten schon heute nicht den regulären Rentenbeginn, etwa aufgrund arbeitsbedingter Belastungen, gesundheitlicher Einschränkungen oder fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere, erklärte Buntenbach. „Diese Menschen fallen heute regelmäßig lange Jahre ins Hartz-IV-System, womit jahrzehntelange Arbeit entwertet wird.“

Auch SPD-Vize Manuela Schwesig wies den Vorstoß scharf zurück. Ein solcher Schritt wäre „ein großer Fehler“, sagte sie am Montag dem SWR. Die Forderung Spahns zeige, „wie die CDU heute tickt“. „Da ist mehr soziale Kälte als soziale Verantwortung zu spüren“, kritisierte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern.

Der Wirtschaftsrat der CDU unterstützte Spahn dagegen ausdrücklich. Generalsekretär Wolfgang Steiger nannte die Rente mit 63 eine „gefährliche Fehlsteuerung in Zeiten einer alternden Bevölkerung“. Ältere Arbeitnehmer würden mehr denn je gebraucht. Der Fachkräftemangel entwickele sich zum größten Wachstumshindernis in Deutschland, erklärte Steiger am Montag.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) erklärte am Dienstag, die Branche sei „von den Folgen der Rente mit 63 stark betroffen“. Mehr als zwei Drittel der dafür in Frage kommenden Beschäftigten im Maschinenbau hätten sich zwischen 2013 und 2016 vorzeitig verrenten lassen. Die „dramatische Fehlentscheidung der großen Koalition“ müsse auf den Prüfstand, forderte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.

Auch nach Ansicht des Direktors des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, Michael Hüther, soll die Rente mit 63 „rückabgewickelt“ werden. Mehr als 200.000 Arbeitskräfte hätten ihretwegen schon zu arbeiten aufgehört – alles gut verdienende Menschen mit mittlerer und höherer Bildung, sagte Hüther der Zeitung Welt vom Montag.

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