Bus und Bahn für alle umsonst: Grüne haben noch ein Ideal

Auch die Öko-Partei fordert nun kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr für alle, finanziert durch Steuergelder.

Schnell einsteigen, auch ohne Ticket: Das wäre ganz nach Wunsch der Grünen. Bild: dpa

Ticketautomaten und Fahrkartenkontrolleure sollen in Berlin verschwinden – irgendwann einmal. Nach den Piraten setzen sich nun auch die Grünen für einen kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) ein. Nach kontroverser Debatte erhielt ein entsprechender Antrag der Grünen Jugend auf dem Parteitag am Samstag eine knappe Mehrheit, gegen den erklärten Willen der beiden Parteichefs.

Die Grünen werden nicht ihr „Ideal eines steuerfinanzierten, kostenlosen ÖPNV aus den Augen“ verlieren, heißt es wörtlich in dem Antrag, der mit 64 zu 61 Stimmen angenommen wurde. Allerdings geht es um eine „langfristige“ Perspektive. Bisher war das vermeintliche Ideal keines gewesen: Die Forderung ist neu im Berliner Grünen-Katalog. Ein ähnlicher Antrag, ausgearbeitet unter anderem unter Federführung des heutigen Parteichefs Daniel Wesener, hatte vor einigen Jahren keine Mehrheit gefunden.

Dennoch war es Wesener selbst, der sich auf dem Parteitag gegen die Formulierung aussprach. Es fehle beim Antrag der Grünen Jugend ein konkretes Konzept, wie ein kostenloser Nahverkehr umgesetzt werden könnte.

Umstritten ist vor allem, wie viel die Umsetzung in Berlin kosten würde: Rund 880 Millionen Euro nahmen BVG und S-Bahn 2011 durch Ticketverkäufe ein. Diese Einnahmen würden natürlich entfallen. Doch welche Faktoren müssten noch in die Rechnung aufgenommen werden? Die Kosten für dann entfallende Kontrolleure, für im Knast sitzende Schwarzfahrer sicherlich. Aber wie ist es zu bewerten, wenn mehr Menschen Busse und Bahnen nutzen würden: Ist das positiv, weil es die Ökobilanz verbessert, oder negativ, weil die Anbieter wohl mehr Personal und Fahrzeuge einsetzen müssten?

Die Berliner Piraten hatten 2011 die gleiche Forderung prominent im Abgeordnetenhauswahlkampf vertreten. Doch bisher ist es ihnen nicht gelungen, konkrete Ideen für die Umsetzung zu erarbeiten. Derzeit werde eine Studie dazu vorbereitet, hatte der Piraten-Abgeordnete Martin Delius Mitte Oktober im taz-Interview angekündigt.

Grünenchef Wesener plädierte auf dem Parteitag allerdings noch aus einem anderen Grund gegen die Forderung der Nachwuchsgrünen: Am Samstag redete die Partei auch über die Lehren aus dem schlechten Bundestagswahlergebnis – wenig kontrovers übrigens. „Selbstgerecht und bevormundend“ sei man im Wahlkampf wahrgenommen worden, heißt es im Leitantrag „Aufbruch 2016“. Die Lösung soll sein, künftig undogmatischere Ziele zu formulieren. Die Landesvorsitzende Bettina Jarasch riet der Partei deswegen zum Beispiel, nicht länger „wie der grüne Ritter ohne Furcht und Tadel gegen alles“ anzustürmen. „Wir müssen konkrete Lösungen bieten, die nicht die Welt, sondern den Alltag verbessern.“ Und der Abgeordnete Andreas Otto mahnte: „Man legt sich nicht fest auf irgendwelche Koalitionen, sondern auf Ziele, die man umsetzen will.“ Da passt natürlich eine explizit idealistische Forderung wie die nach dem kostenfreien ÖPNV weniger ins Bild.

Sie war auch die Ausnahme in der Debatte um verkehrspolitische Ziele. Natürlich standen dabei Fußgänger, Radfahrer sowie Busse und Bahnen im Mittelpunkt, die Partei setzt sich unter anderem für Radschnellwege und eine höhere Taktung des ÖPNV ein. Doch das Auto ist für die Grünen kein Feindbild mehr: In Berlin mit seinem stetig wachsenden Anteil von Radlern ist die „Zeit der großen ideologischen Auseinandersetzungen“ vorbei, sagte die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus. Und so erkennen die Grünen explizit an, dass es selbst in Berlin Menschen gibt, die auf das Auto angewiesen sind – weil sie Kinder haben oder in den Außenbezirken wohnen. Der Zauberbegriff heißt nun „kombinierte Mobilität“: Dabei sollen die guten Seiten jedes Verkehrsmittels verbunden werden, etwa durch genügend Abstellplätze für Räder und Autos an Umsteigebahnhöfen der S-Bahn.

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