Bundestag ahndet illegale Parteispende: AfD bekommt teuren Strafbescheid

Die AfD hat derzeit gleich drei Spendenaffären am Hals. Für zwei davon muss sie jetzt büßen. Einsicht zeigt die Partei bislang keine.

Porträt Jörg Meuthen vor AfD-Logo

Das wird teuer: AfD-Parteichef Jörg Meuthen steht im Mittelpunkt der Parteispendenaffäre Foto: dpa

BERLIN taz | Die Bundesgeschäftsstelle der AfD in der Berliner Schillstraße hat heute folgenschwere Post erhalten: zwei Bescheide der Bundestagsverwaltung. Darin verhängt die Behörde eine Strafzahlung für illegale Parteispenden in Höhe von 402.900 Euro. Denn ihre Prüfungen haben ergeben, dass sowohl Parteichef Jörg Meuthen als auch Guido Reil, der AfD-Vorzeigemalocher aus NRW, nicht legale Zuwendungen angenommen haben.

„Entsprechende Bescheide hat die Bundestagsverwaltung heute der Partei übermittelt“, teilte eine Sprecherin der Bundestagsverwaltung der taz am Dienstag mit. Die Behörde hatte die Spenden monatelang geprüft. „Im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens hat sich bestätigt, dass diese geldwerten Zuwendungen von der AfD nicht hätten angenommen werden dürfen, da die Spender zum Zeitpunkt der Spendenannahme nicht feststellbar waren“, so die Sprecherin weiter.

Im Europawahlkampf könnte das schlecht ankommen: Meuthen ist Spitzenkandidat der AfD für das Europaparlament, Reil steht direkt hinter ihm auf Platz zwei der Liste.

Damit erreichen zwei der drei Spendenaffären, in die hochrangige AfD-PolitikerInnen verstrickt sind, einen neuen Höhepunkt. Im Fall der dritten könnte später ein zweiter Bescheid in ähnlicher Höhe hinzukommen: wegen möglicherweise illegaler Spenden für den Wahlkampf der heutige Fraktionschefin Alice Weidel. Gegen sie ermittelt die Staatsanwaltschaft in Konstanz, die Bundestagsverwaltung wartet die Ermittlungsergebnisse ab.

Die AfD will gegen die Bescheide vorgehen. Meuthen hatte schon im Vorfeld erklärt, er werde „bis zum höchsten Gericht“ ziehen, denn er habe nichts illegales getan. Das sieht die Bundestagsverwaltung anders.

Spenden über Strohleute

Die Vergehen liegen bereits eine Weile zurück, in den vergangenen Monaten aber sind durch Ermittlungen und journalistische Recherchen immer neue Details bekannt geworden – nicht nur über die Zuwendungen selbst, sondern auch über Strohleute und einen in London und der Schweiz lebenden Immobilien-Milliardär, der möglicherweise hinter den Spenden steckt.

Doch der Reihe nach: Meuthen hatte im baden-württembergischen Landtagswahlkampf Anfang 2016 Wahlwerbung im Wert von 89.800 Euro von dem Schweizer PR-Unternehmen Goal AG erhalten – in Form von Plakaten, Flyern und Anzeigen, auch seine Webseite wurde betreut. Das hat Meuthen unlängst in einem Interview mit der Welt eingeräumt und zudem betont, nichts Illegales getan zu haben, weil er die Zuwendungen nicht für eine Parteispende hält.

Ähnlich sieht es bei Guido Reil aus, der ein Jahr später im Landtagswahlkampf in NRW ebenfalls von Werbung der Goal AG unterstützt wurde, vor allem in Form von Wahlplakaten. Bei Reil geht es um Zuwendungen in Höhe von 44.500 Euro. Woher das Geld kam, ist bis heute nicht restlos aufgeklärt. Da die Bundestagsverwaltung in beiden Fällen eine Strafzahlung in der dreifachen Höhe der Spenden angesetzt hat, fordert sie nun 402.900 Euro von der radikal rechten Partei.

Abstreiten und mauern

Die AfD reagiert stets gleich auf die Vorwürfe: Sie streitet ab. Sie mauert und gibt maximal das preis, was durch journalistische Recherchen bereits öffentlich bekannt ist. So ließ Meuthen den erstaunten ZDF-Moderator Theo Koll jüngst wissen, er werde sich zu diesem Thema Medien gegenüber nicht mehr äußern – „denn wenn ich Ihnen antworte, bekomme ich zehn weitere Fragen“.

Reil dagegen polterte beim Europawahlkampfauftakt der AfD Ende April im baden-württembergischen Offenburg, er habe nur eine Freistellungserklärung unterschrieben, damit Goal AG-Chef Alexander Segert sein Foto verwenden darf. Dass er sich als Politiker vielleicht Gedanken darüber machen müsste, was damit geschieht und dass sogar die Essener Staatsanwaltschaft in diesem Fall ermittelt, ficht Reil nicht an. Stattdessen spricht er von einer „ganz miesen Kampagne“ gegen die AfD und behauptet gar: „Wir sind die einzigen, die keinen Dreck am stecken haben.“ Eine durchaus gewagte Aussage bei der derzeitigen Gemengelage.

Schuldbewusstein? Offenes Aufarbeiten von Fehlern? Fehlanzeige. Schuld sind, wie immer bei der AfD, die anderen.

1.000 Euro für Strohleute

Doch die dubiose Geschichte geht noch weiter. Denn eine beim Bundestag eingereichte Liste mit den zehn Spendern, die hinter der Unterstützung der Goal AG stecken sollen, ist möglicherweise falsch. Nach Recherchen von Spiegel und Report Mainz sollen inzwischen mehrere der vermeintlichen Finanziers zugegeben haben, als Strohleute fungiert zu haben. Einer von ihnen räumte gegenüber den beiden Medien ein, im Gegenzug für seinen Namen habe er 1.000 Euro in bar erhalten. Dies habe er auch bei einer Vernehmung durch das baden-württembergische Landeskriminalamt ausgesagt. Deshalb prüft die Stuttgarter Staatsanwaltschaft derzeit die Aufnahme von Ermittlungen.

Eine ganz ähnliche Liste – vermutlich ebenfalls mit Strohleuten – hatte die AfD der Bundestagsverwaltung im Fall Weidel übermittelt. Dabei geht es um Geldspenden in Höhe von insgesamt gut 130.000 Euro, die, gestückelt in mehrere Tranchen, mit dem Vermerk „Wahlkampfspende Alice Weidel“auf das Konto ihres Kreisverbands am Bodensee geflossen sind. Das Geld wurde später zurückgezahlt, allerdings erst, nachdem die AfD mit einem Teil davon im Wahlkampf gearbeitet hatte. Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR, WDR und dem Schweizer Tages-Anzeiger zufolge führen die Spuren der Spenden zum Immobilien-Milliardär Henning Conle, der aus Duisburg stammt und inzwischen in der Schweiz und in London lebt.

Auch in der AfD selbst kommen die Spendenaffären nicht gut an. Der AfD-Bundeskonvent Partei hatte Ende März beschlossen, Rücklagen von etwa einer Million Euro für etwaige Forderungen der Bundestagsverwaltung zu bilden. Kurz vor Ostern wurde eine Resolution aus dem bayerischen Landesverband bekannt, die unter anderem die Forderung beinhaltet, „dass Mandatsträger und Kandidaten, die von Spenden oder externer Unterstützung persönlich profitieren, für finanzielle Schäden, die der Partei dadurch entstehen, persönlich aufkommen“. Unter dem Aufruf stehen alle 14 bayerischen Bundestagsabgeordneten, dazu ein teil der Landtagsabgeordneten und Teile des Landesvorstands.

„Es gibt an der Basis großen Unmut, dass die Partei eine Million Euro für mögliche Strafzahlungen zurückgelegt hat und diese Strafen womöglich aus Mitgliedsbeiträgen gezahlt werden“, sagte Vize-Landeschef Gerold Otten dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, das zuerst über die Resolution berichtet hatte. Andere Bundestagsabgeordnete sehen das ähnlich: „Wer illegale Spenden annimmt und der Partei damit schadet, muss persönlich dafür haften“, sagte etwa der nordrhein-westfälische Abgeordnete Stefan Keuter der taz. Auch Thomas Seitz aus Baden-Württemberg teilt die Position der Bayern. „Das ist nicht falsch“, sagt Seitz. Er hält den Zeitpunkt der Veröffentlichung aber für falsch. Erst müsse der Sachverhalt endgültig aufgeklärt werden. Endgültig heißt für ihn: gerichtlich und in der letzten Instanz. Das aber kann dauern.

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