Bundesrichter kritisiert Asylverschärfung: Rechtsstaatlichkeit nicht gesichert

Erfahrene Richter und Juristen kritisieren die erneute Asylverschärfung. Sie befürchten, dass vielen Flüchtlingen der Weg zum Anwalt versperrt wird.

Kleidung hängt auf einem Zaun vor Gebäuden

Wie leicht kommen Geflüchtete an einen Anwalt? Aufnahmezentrum in Manching Foto: dpa

BERLIN epd | Die inzwischen geltenden schärferen Regeln für Asylbewerber stoßen bei hochrangigen Juristen weiter auf Kritik. Man könne den Verdacht haben, dass die Politik „in einigen Punkten doch kontraproduktiv über das Ziel hinausgeschossen ist“, sagte der Richter am Bundesverwaltungsgericht, Uwe Berlit, am Dienstagabend bei einer Veranstaltung des Deutschen Anwaltvereins in Berlin.

Berlit fürchtet um die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in den Schnellverfahren für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten. Die neuen Regeln könnten in seinen Augen dazu führen, dass den Flüchtlingen anwaltliche Beratung vorenthalten wird.

Um das „Asylpaket II“, das am 17. März in Kraft getreten ist, hatte die Koalition lange gerungen. Im Mittelpunkt stand dabei der Streit um die Aussetzung des Familiennachzugs. Weitere Verschärfungen wie die Einführung beschleunigter Asylverfahren in speziellen Aufnahmeeinrichtungen und niedrigere Hürden bei der Abschiebung Kranker gerieten dabei aus dem Fokus der Öffentlichkeit.

Fachjuristen beäugen genau diese Regelungen aber skeptisch. Berlit verglich die Schnellverfahren mit dem seit den 90er Jahren existierenden Flughafenverfahren, bei denen Menschen aus sicheren Drittstaaten im Transitbereich verbleiben müssen, bis ihr Asylantrag geprüft – und in aller Regel abgelehnt wird. Der Bundesrichter sagte, wie das Flughafenverfahren selbst seien die neuen Regelungen nicht grundsätzlich verfassungswidrig. Dennoch machte er auf Unterschiede in der „faktischen Umsetzung“ aufmerksam.

Nicht genügend Anwälte

Anders als an den entsprechenden Flughäfen wiesen die Standorte der neuen speziellen Aufnahmeeinrichtungen nicht die Dichte an Anwälten und zivilgesellschaftlicher Unterstützung auf, sagte er. Bislang gibt es für die Einrichtungen zwei Standorte: Bayreuth und Manching. Neben der Versorgung mit Bundespolizisten und Verwaltungsmitarbeitern müssten auch anwaltliche, ärztliche und zivilgesellschaftliche Strukturen mitgedacht werden, forderte Berlit.

Der Frankfurter Asylanwalt Tim Kliebe unterstellte, mit den Einrichtungen werde eine „Entsolidarisierung mit der Zivilgesellschaft“ verfolgt. Er kritisierte, der Bundestag habe bei der Verabschiedung der neuen Regeln Forderungen nach einem Festlegen von Verfahrensregeln „komplett ignoriert“.

Indirekt machte er bei der Diskussion einen Vorschlag für Verbesserungen. In Frankfurt am Main, dem Hauptstandort für das Flughafenverfahren, gibt es einen Vertrag zwischen dem Bund und dem Anwaltverein, der Rechtsberatung sicherstellen soll. Organisiert über einen Bereitschaftsdienst steht demnach immer ein Jurist zur Verfügung, wenn ein Asylantragsteller anwaltliche Hilfe braucht. Eine enge Zusammenarbeit gibt es zudem mit dem kirchlichen Flüchtlingsdienst.

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