Bundesliga-Derby BVB gegen Schalke: Gleicher, als sie glauben

Bei Dortmund gegen Schalke geht es um die Macht im Revier. Und es ist ein Duell der Mittelfeldspieler Leon Goretzka und Julian Weigl.

Ein Fußballspieler steht, ein Fußballspieler fliegt

Hochbegabte unter sich: Leon Goretzka (l., FC Schalke o4) und Julian Weigl (r., BVB) im Jahr 2016 Foto: Imago / Eibner

LÜDENSCHEID-NORD/HERNE-WEST taz | Seite zehn Monaten fährt Christian Heidel täglich die 15 Kilometer hin und her zwischen Gelsenkirchen und seinem Wohnort Essen, wo der Schalke-Manager unter der Woche gerade ein nettes Tankstellenerlebnis hatte. „Die Dame an der Kasse fragte mich, wie es ausgeht“, erzählte er.

Gemeint war natürlich das Revierderby, auf das sich die Menschen im Pott dank der Länderspielpause diesmal gleich zwei Wochen lang einstimmen konnten. „Ich spüre“, sagt der aus Mainz zugereiste Heidel, „dass das Derby nicht nur in Gelsenkirchen und Dortmund ein Thema ist. Sondern in der gesamten Region.“

Leon Goretzka braucht er über den hochemotionalen Charakter dieses Duells nichts erzählen. Der 22-jährige Schalker ist geboren und aufgewachsen in Bochum, eingeklemmt zwischen den Revierriesen S04 und BVB. Vor fünf Jahren warfen auch die Bayern mal ein scharfes Auge auf das schmal gebaute Toptalent. 2013 vollzog Goretzka aber lieber einen Klubwechsel um die Ecke, vom VfL Bochum ging’s ein paar Kilometer weiter westlich aufs Berger Feld.

In seinen ersten zwei Schalker Jahren waren Verletzungen ständige Begleiter des universal begabten Mittelfeldspielers. Doch in der vergangenen und vor allem in dieser Saison lebt Goretzka seine enormen Fähigkeiten immer häufiger auf dem Rasen aus. Als „brutal ehrgeizig“ bezeichnete ihn vor einem Jahr André Breitenreiter. Dessen Nachfolger auf der Schalker Trainerbank, Markus Weinzierl, schwärmt nun: „Er fühlt sich im zentralen Mittelfeld auf beiden Positionen wohl, arbeitet nach vorne und nach hinten gut. Wir könnten ihn zwei Mal brauchen.“

Vorbild Toni Kroos

Ähnlich jung und für seinen Verein schon ähnlich wertvoll ist Julian Weigl – der Goretzka in einem Punkt aktuell voraus ist: Im Testländerspiel gegen England vor zehn Tagen durfte der 21-jährige Dortmunder eine Stunde lang neben Toni Kroos im defensiven Mittelfeld spielen. Während Goretzka am vergangenen Dienstag in der U21 zum Einsatz kam – und nach dem 0:1 gegen Portugal, dem letzten Test vor der EM, die fehlende Harmonie im Team beklagte: „Manche wollten auf dem schlechten Platz richtig Fußball spielen, andere haben es bei den Basics belassen. Das hat nicht gepasst.“

BVB-Sportdirektor Michael Zorc

„Ich hasse es, wenn du dir etwas erarbeitest und dann anfängst zu jammern. Darauf habe ich keinen Bock“

Als sein großes Vorbild bezeichnet Goretzka den fünf Jahre älteren Toni Kroos – am Samstag wird mit Blick auf die mittelfristige Besetzung der Nationalmannschaft aber interessant sein, wie der Schalker im direkten Vergleich mit Julian Weigl abschneidet. „Er ist für uns in seinen jungen Jahren schon ein absoluter Stabilisator im Spiel“, lobt Michael Zorc den gebürtigen Oberbayern. Und bestätigt sah sich der Sportdirektor des BVB zuletzt beim mühevollen 1:0 gegen Ingolstadt.

Weigl wurde nach ein knapp einer Stunde eingewechselt, das Dortmunder Spiel gewann nun erkennbar an Qualität. Für Zorc war die Anlass, sich im Kicker über Klagen über die hohe Belastung zu echauffieren. „Ich hasse es, wenn du dir etwas erarbeitest und dann anfängst zu jammern. Darauf habe ich keinen Bock“, zeterte er beim Gedanken an den für die Borussen reizvollen April – mit Gastspielen auf Schalke und in Gladbach, zwei Duellen mit den Bayern und den beiden Viertelfinalpartien in der Champions League gegen Monaco.

Keine Konstanz

Geglänzt hat die Rasselbande von Thomas Tuchel in dieser Saison vor allem in der Königsklasse, in der Liga fremdelten die Dortmunder häufiger. Auffallend oft nach internationalen Auftritten auf fremdem Terrain. Etwas tiefer, prinzipiell aber fast identisch die Schalker Leistungsschau: 20 Jahre nach dem Triumph im Uefa-Cup stehen die Blau-Weißen im Viertelfinale der Europa League. „Wir haben international noch einiges vor“, betont Chefcoach Weinzierl – und deutete bereits an, dass die Bundesliga unter diesen Plänen etwas leiden könnte.

Er ist links, deutsch, ein Antifa – und zieht in den Krieg nach Syrien. Er hört die Raketen, schießt, will nicht nach Hause. Das Protokoll eines Kämpfers lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. April. Außerdem: Vor der Wahl in Frankreich wirkt Emmanuel Macron wie die letzte Hoffnung Europas. Wie links ist er? Und: Mathilde Franziska Anneke und Karl Marx kannten sich. Sie hat so radikal gedacht, geschrieben und gehandelt wie er. Warum erinnert sich niemand an sie? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Viel mehr als eine Andeutung war die jüngste Forderung des Trainers an die Adresse von Manager Heidel: Weinzierl wünscht sich eine gewitzte Transferpolitik, so dass in Zukunft auch mal Hochkaräter wie Robert Lewandowski oder Pierre-Emerick Aubameyang in Gelsenkirchen landen.

Der ähnlich ambitionierte Leon Goretzka („Ich will auf den WM-Zug aufspringen, das ist mein Ziel“) wird da keinesfalls widersprechen. Denn eine Sache hat der Junge aus dem Pott vor dem Showdown im Pott definitiv erkannt: „Wir bekommen hier einfach die Konstanz nicht rein.“

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