Buch über Afghanistan: Unbekannte Heldinnen

Die Künstlerin und Schriftstellerin Nahid Shahalimi reiste in ihre ehemalige Heimat, um mit mutigen Frauen zu sprechen und sie zu porträtieren.

Nahid Shahalimi steht neben einem ihrer Werke, einem großformatigen Bild von Audrey Hepburn

Die Künstlerin Nahid Shahalimi hat ein Buch über afghanische Frauen geschrieben. Malen kann sie auch Foto: imago/Apress

Was Nahid Shahalimi von ihren Protagonistinnen unterscheidet, ist, dass sie Afghanistan schon vor einer ganzen Weile verlassen hat. Sie wächst in einem Nobelviertel von Kabul auf, ihr Vater ist eine politische Persönlichkeit. Als dieser 1981 stirbt und die Familie bedroht wird, flieht die damals 26-jährige Mutter Zar­ghona mit ihren vier Kindern. Zu Fuß nach Pakistan. Mit Hilfe von Verwandten gelingt es der Familie einen Einreiseantrag für Kanada zu stellen. 1986 beginnt ihr neues, sicheres Leben.

Drei Jahre reist Shahalimi immer wieder in ihr Heimatland: „Ich habe Interviews geführt mit Frauen aus allen Gesellschaftsschichten, Altersstufen und ethnischen Gruppen, die teilweise grundverschieden aufgewachsen waren. Alle ihre Geschichten verdienen es, erzählt zu werden, und sie sind der Beweis, dass es Hoffnung für eine bessere Zukunft gibt.“

Und die meisten ihrer Heldinnen konnte sie nur unter schwierigen Bedingungen und mit Unterstützung von afghanischen JournalistInnen und Bekannten erreichen und kontaktieren, so auch Aziza Rahimzada. „Das Mädchen, das keine Grenzen kennt“, Aziza ist tatsächlich über Landesgrenzen bekannt geworden, als sie als damals 15-Jährige für den Children’s Peace Prize 2015 nominiert wird. Die Botschaft der Kinderrechtsaktivistin: „Kinder dürfen nicht zum Opfer politischer und wirtschaftlicher Machenschaften werden. Bis jetzt habe ich noch nicht viel erreicht.“

Sehr bescheiden, immerhin hat sie es geschafft, eine Gruppe von Kindern zu mobilisieren, um gemeinsam mit ihr dafür zu kämpfen, dass die 25.000 Flüchtlingskinder in Kabul auch ohne Identitätsnachweis die Schule besuchen dürfen. Die Regierung hat schließlich nachgegeben.

Geschichten, die es verdienen, erzählt zu werden

Eine weitere Schwierigkeit für Shahalimi: Die interviewten Frauen leben nicht ungefährlich, teilweise in Hochburgen der Taliban – wie der südlichen Stadt Kandahar. Maryam Durani ist eine von ihnen, Gründerin des ersten Internetcafes „Malalai Maiwandi“ welches ausschließlich für Frauen und kostenlos ist – sowie des Radiosenders „Merman“, dessen Themenschwerpunkt die Ungleichbehandlung der Geschlechter darstellt.

Häufig schreibt Shahalimi, wie sie mit kugelsicheren SUVs und bewaffneten Sicherheitsleuten zu ihren Verabredungen fährt und wie sie sich auch schon einmal wünschte, nicht in Afghanistan zu sein. Die größte Angst erfährt die Autorin wohl in der Provinz Baglan, auf der Suche nach Kommandantin Kaftar Pigeon, einer legendären Kriegerin. Bibi Ayesha, wie sie richtig heißt und nicht zu verwechseln mit Bibi Aisha (ihr Mann verstümmelte ihr Gesicht), hat beinahe vier Jahrzehnte eine Armee von Männern angeführt, eine Kämpferin ohne Schulbildung, die es zur einzigen weiblichen Befehlshaberin brachte. Während sich die beiden Frauen bei Obst unterhalten, stellt Shahalimi fest: „Ich hatte etwas anderes erwartet, eine Befehlshaberin voller Bitterkeit und Härte. Was ich vor mir sah, war eine sanfte Seele.“

Nahid Shahalimi: „Wo Mut die Seele trägt. Wir Frauen in Afghanistan“. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2017, 160 S., 24,95 €

Shahalimi schreibt voller Hochachtung über die Frauen. Die einzelnen Geschichten erstaunen, erschüttern. Alltägliche Dinge wie Radfahren werden zu einer Tortur, in der die Frauen versteckt außerhalb der Stadtgrenzen ihre Trainingsrunden drehen, um sich vor Stein- und Müllwürfen zu schützen. Sie dramatisiert ihre Erzählungen aber nicht unnötig, sie ist konzentriert auf die Unerschrockenheit der Frauen, ihre Sprache ist reduziert. Nahid Shahalimi beweist während ihrer Reisen selbst eine ordentliche Courage.

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