Brutales Vorgehen von Irans Polizei: "Es war wie eine Mausefalle"

Am Mittwoch zerschlug Irans Polizei den Protest mit großer Härte. Die Opposition spricht von mindestens drei Toten. Derweil wurden 70 Professoren nach einem Treffen mit Mussawi verhaftet.

Polizei setzt Demonstranten nach am Baharestan Platz am Mittwoch, das berichtet jedenfalls der User, der dieses Foto auf Twitpic veröffentlichte. Bild: twitpic/bri85

BERLIN/TEHERAN taz/dpa/rtr/afp | Die iranische Regierung hat am Mittwochnachmittag eine Demonstration der Oppositionsbewegung unter dem Motto "Sea of Green" nach Berichten von Teilnehmern über Twitter mit großer Gewalt zerschlagen. Die Protestler hatten sich am Baharestan Platz versammeln sollen. Dort wartete bereits Stunden vorher ein großes Polizeiaufgebot. "Sie warteten auf uns", berichtet ein Twitterer. "Es war wie eine Mausefalle."

Die Polizei schlug bereits zu, als sich erst ein paar Hundert Menschen dort versammelt hatten. Nach Angaben von Bloggern der Website "Anonymus Iran", die für gewöhnlich bemüht ist, alle Twitter-Berichte mehrfach zu bestätigen, sind mindestens drei Menschen getötet worden – zwei davon durch Schusswaffen. Nach unbestätigten Berichten ist die Zahl der Toten womöglich höher. Dutzende wurden verletzt. Offenbar verhaftete die Polizei alle Protestler, deren sie habhaft werden konnte.

Die Staatsmacht hat sich offenbar auf die Demonstranten eingestellt. Den Berichten zufolge kontrollierte die Polizei großräumig um den Platz herum Mobiltelefone, löschte Bilder und Videos oder beschlagnahmte die Geräte. Auch wurde mehrfach das Telefonnetz gestört. Um den Platz waren weiträumig Patrouillen postiert, die meisten der angeblich mehrere Tausend Oppositionellen, die demonstrieren wollten, kam gar nicht zum Baharestan Platz durch.

"Alle Geschäfte waren geschlossen – man kann nirgendwo hingehen – sie folgen den Leuten mit Hubschraubern", berichtete einer über Twitter. "Überall Rauch und Feuer." Nach Angaben von "Anonymus Iran" versuchten sich die Demonstranten immer wieder, zu Gruppen zusammenzuschließen. Offenbar zogen sich die Auseinandersetzungen bis in die Nacht hin. Wieder waren auch Milizionäre auf Motorrädern unterwegs.

70 Professoren nach Treffen mit Mussawi festgenommen

Nicht nur Demonstranten wurden verhaftet. Auf der Internetseite von Irans Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi wurde am Mittwoch eine Liste mit 70 Namen von Universitätsvertretern sowie Mitgliedern islamischer Vereinigungen veröffentlicht, die offenbar nach einem Treffen mit dem Politiker am Mittwoch festgenommen wurden. In Oppositionskreisen wächst die Sorge, auch Mussawi könnte faktisch unter Hausarrest stehen.

Nach einer Meldung der iranischen Nachrichtenagentur Fars setzt Mussawi jetzt auf Verhandlungen. Mehrere hochrangige Parlamentsabgeordnete hätten am Mittwoch Mussawi sowie den früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani getroffen.

Dabei hätten Mussawi und Rafsandschani den Wunsch geäußert, den Konflikt um die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad beizulegen, sagte der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses des Parlaments, Aladdin Burudscherdi. Es war das erste Treffen Mussawis mit Offiziellen seit Beginn der Massenproteste gegen das Wahlergebnis vor fast zwei Wochen, in deren Rahmen bisher mindestens 17 Menschen ums Leben gekommen sind.

Karubi sagt Trauermarsch ab

Einer der unterlegenen Kandidaten bei der iranischen Präsidentschaftswahl, Mehdi Karubi, hat den für Donnerstag geplanten Trauermarsch in Teheran abgesagt. Trotz aller Bemühungen sei es Karubi nicht gelungen, einen Ort für die Veranstaltung zu finden. Laut der Internetseite von Karubis Partei soll der Trauermarsch zum Gedenken an die Toten bei den Demonstrationen nun in der kommenden Woche stattfinden.

Auch in der vergangenen Woche war der Trauermarsch zwischenzeitlich abgesagt worden – und fand trotzdem statt.

Die Reformer verbreiten derweil per Twitter einen Aufruf für einen neuen Protest am Freitag. Dabei sollen Reformer am Mittag grüne und schwarze Ballons von ihren Wohnungen aus steigen lassen: Grün für die Bewegung, Schwarz für die Toten. Dabei wird immer wieder das Schicksal von Neda Agha-Soltan hervorgehoben.

Kranke bleiben Zuhause

Offenbar zeigt der Druck der Staatsmacht Wirkung. In einem Interview bestätigt eine Frau, die den Iran gerade Richtung USA verlassen hat, dem Fernsehsender CNN, die Lage in Teheran befinde sich "jenseits der Angst – die Lage ist mehr wie Terror".

Dazu passt eine Meldung über Twitter, dass in einem Fall auch mit einer Axt auf Demonstranten eingeschlagen worden sein soll. Diese Meldung ist aber unbestätigt – und auch nicht sehr glaubwürdig. Einige Beobachter mutmaßen, dass die Staatsmacht solche Meldungen streut, um die Protestler in Angst zu versetzen. Andere mutmaßen, dass solche Gerüchte entstehen, wenn Demonstranten angesichts des brutalen Vorgehens der Polizei in Panik geraten.

Mehrfach kamen hingegen Hinweise, dass die Krankenhäuser von Milizen umstellt sind, die nach Patienten Ausschau halten, die typische Verletzungen von Straßenschlachten aufweisen. Inzwischen bleiben deshalb offenbar viele verletzte Demonstranten zu Hause.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.